GPA Tirol: Dramatischer Appell der BetriebsrätInnen im Pflege- und Sozialbereich
Mit einem verzweifelten Appell wenden sich Tiroler BetriebsrätInnen aus dem Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich an die Politik: Die psychischen Belastungen sind nicht mehr tragbar, die Corona-Krise hat die Situation deutlich verschärft, das stundenlange Tragen der MNS-Masken hinterlässt deutliche Spuren. Gefordert werden unter anderem Masken-Pausen sowie eine Neuauflage der Corona-Zulage. Übergeordnete Ziele bleiben die Attraktivierung des Berufs, die längst überfällige Aufstockung des Personals sowie eine Arbeitszeitverkürzung.
Margit Luxner, Betriebsratsvorsitzende in einem Kitzbüheler Altenpflegeheim und Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Gesundheit und Soziales in der GPA Tirol, gibt einen Einblick in den derzeit herrschenden Arbeitsalltag: „Das durchgehende Tragen des Mund-Nasen-Schutzes während neun oder zehn Stunden ist ein Horror. Wir haben offene Stellen hinter den Ohren und an der Nase, wir wollen endlich atmen können!“ Sie will für ihre KollegInnen die Sicherheit erreichen, dass „jede/r kurz durchatmen gehen darf, wenn es eben notwendig ist.“
Schutz der zu Pflegenden als enorme Verantwortung
Noch schlimmer seien allerdings die psychischen Belastungen: „Wir alle haben große Angst, den Virus ins Heim zu tragen. Wir haben Familien, eine hundertprozentige Sicherheit kann niemand der Beschäftigten garantieren. Mit dieser riesigen Verantwortung werden wir komplett allein gelassen. Dienstbesprechungen und Supervisionen werden aus Sicherheitsgründen abgesagt, allerdings wäre der Austausch für uns gerade jetzt sehr wichtig. Auch die Freizeitgestaltung als so wesentlicher Ausgleich zum psychisch herausfordernden Arbeitsalltag fehlt komplett. Wir wissen nicht mehr, wie wir mit unseren Emotionen umgehen sollen!“ Sie geht davon aus, dass die Auswirkungen der jetzigen Situation in vollem Ausmaß erst nach überstandener Krise offenbar werden: „Ich befürchte, dass danach viele den Job hinschmeißen, in Frühpension gehen oder Stunden reduzieren. Wir alle machen unsere Arbeit eigentlich gerne, aber wenn man so ausgebrannt ist wie jetzt, geht eigentlich nichts mehr.“
Ähnlich die Erfahrungen von Robert Senn und Andrea Bellony, Betriebsräte der Innsbrucker Sozialen Dienste GmbH (ISD), die rund 1.400 Beschäftigte vertreten: „Die Lage wird immer noch drastischer und ist deutlich schlimmer als die katastrophale Situation vom Frühjahr. Unsere MitarbeiterInnen haben sich eine Neuauflage der Corona-Zulage mehr als verdient!“ Dass Beschäftigte trotz Absonderungsbescheid arbeiten gehen müssten, offenbare die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Senn: „Ich arbeite seit 34 Jahren in diesem Bereich. Bereits damals war der Personalmangel akut. Wir sind defacto seit Jahrzehnten unterbesetzt. Der soziale Kontakt zu den zu Pflegenden bleibt da auf der Strecke, wir sind gezwungen, uns auf reine Grundversorgung zu reduzieren.“ Es brauche dringend eine Aufstockung des Personals. Dafür seien bessere Rahmenbedingungen zwingend notwendig, damit sich mehr Menschen für die Arbeit im Pflegebereich entscheiden.
Arbeiten trotz Absonderungsbescheid
Die derzeitige Krise bedeute für alle eine enorme Herausforderung, so Bellony: „Man muss sich einmal vorstellen was es für jemanden heißt, der einen Absonderungsbescheid erhält und trotzdem zur Arbeit muss.“ Da keine öffentlichen Verkehrsmittel benützt werden dürfen, hat Senn kürzlich in Ermangelung eines Privat-PKW eine Kollegin zur Arbeit gefahren. „Mit dem Bus fahren geht nicht, Arbeiten muss dennoch funktionieren“, verweist auch Senn auf die schwierige Situation.
BetriebsrätInnen als Krisenmanager
Gewerkschaftssekretär Ralf Wiestner (GPA Tirol) betont die derzeitige Doppelbelastung für BelegschaftsvertreterInnen: „Die BetriebsrätInnen gehen nicht nur ihrer täglichen Arbeit nach, sondern kümmern sich zusätzlich um ihre KollegInnen, sind ihr Sprachrohr zur Geschäftsleitung und lösen Probleme bravourös. Damit beweisen sie sich einmal mehr als erstklassige KrisenmanagerInnen. Wir können uns als Gewerkschaft auf die BetriebsrätInnen verlassen, das gilt selbstverständlich auch umgekehrt. Ein großes Danke an sie für ihren unermüdlichen Einsatz!“