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Auswirkungen der Europawahl 2019

Aufgrund von Verlusten der beiden Großparteien EPP und S&D war bereits am Wahlabend klar, dass eine Fortsetzung der „Großen Koalition“ im EU-Parlament so nicht möglich sein wird. Um auch weiterhin eine stabile Mehrheit zu ermöglichen, muss sich zumindest eine weitere Fraktion den Konservativen und SozialdemokratInnen bei Abstimmungen anschließen. Den beiden erstarkten pro-europäischen Kräften, Renew Europe (Liberale) und Grüne/EFA kommt daher zukünftig eine noch wichtigere Rolle zu. Die Gefahr, dass eine vereinte Rechtsfraktion aus Nationalisten und Populisten Beschlüsse des EU-Parlamentes verhindern kann, ist jedenfalls gebannt.

Neue Fraktionen im EU-Parlament

Aus dem Zusammenschluss der liberalen ALDE-Fraktion mit der französischen „Coalition Renaissance“, gegründet von Präsident Macron, ist die neue Fraktion „Renew Europe“ entstanden. Diese konnte einen Mandatszugewinn von 37 Sitzen verzeichnen und ist damit weiterhin drittstärkste Kraft im EU-Parlament.

Die nationalistische und rechtspopulistische EFN-Fraktion hat sich unter dem neuen Namen „ID – Identität und Demokratie“ vereint und konnte ebenfalls einen Zugewinn von 37 Sitzen erreichen. ID ist nun die fünftstärkste Kraft hinter den Grünen/EFA, die einen Zugewinn von 23 Sitzen einfahren konnten. Neben Salvinis Lega, Le Pens Rassemblement National sowie der deutschen AfD, ist auch die FPÖ Mitglied in der ID Fraktion.

Kommissionspräsidentschaft weiterhin unklar

Wer nun künftiger/e EU-Kommissionspräsident/in wird, bleibt weiterhin spannend. Der französische Staatspräsident -Emmanuel Macron- lehnt beispielsweise das sogenannte „Spitzenkandidaten-Prinzip“, nach dem der/die Spitzenkandidat/in, der stimmenstärksten Fraktion auch den/die EU-Kommissionspräsidenten/in stellen soll, ab. Macron hat sich auch klar gegen den EPP-Kandidaten Manfred Weber ausgesprochen und würde gerne die liberale Dänin –Margrethe Vestager- an der Kommissionsspitze sehen. Der französische Präsident versucht hier vor allem die Entscheidungshoheit darüber, wer den/die künftige/n EU-Kommissionspräsidenten/in vorschlagen darf, wieder vom Parlament hin zu den Staats-und Regierungschefs zu verschieben.

Der EPP wird unterdessen immer mehr bewusst, dass ihr Kandidat Manfred Weber gegebenenfalls nicht den ausreichenden Rückhalt der Staats- und Regierungschefs hat und damit auch keine Mehrheit im Europäischen Parlament für seine mögliche Präsidentschaft bekommen wird. Derzeit wird über die personelle Besetzung der nächsten EU-Kommission in einem besonderen Format, bestehend aus 2 VertreterInnen der EPP, der S&D sowie von Renew Europe, verhandelt.

„Mandat der Veränderung“ für neue Europäische Politik

Auf Parlamentsebene haben die Fraktionen EPP, S&D, Renew Europe und Grüne/EFA bereits in Arbeitsgruppen mit ersten Verhandlungen über die künftige Ausgestaltung Europäischer Politik gestartet. Dabei geht es vor allem um ein „Mandat der Veränderung“, mit dem die politische Agenda von Kommission und Rat neugestaltet werden soll. Folgende Punkte werden dabei vordergründig genannt:

  • Umwelt, Klimawandel und „grüne“ Themen
  • Wirtschafts- und Budgetpolitik sowie Handel
  • Digitalisierung und künstliche Intelligenz
  • Europäisches Recht, Grenzen und Migration
  • Außenpolitik

Sozial- und verteilungspolitische Themen werden hier leider völlig ausgespart, obwohl diese vor allem aus Sicht der Beschäftigten von größter Bedeutung wären. 

Vorschlag für eine strategische Agenda 2019-2024

Ein von EU-Ratspräsident Donald Tusk erstelltes internes Papier über die zukünftige strategische Agenda der EU 2019-2024 wurde geleakt und steht nun zur Verfügung. Die wesentlichsten Punkte in diesem Dokument lauten:

  • Schutz der BürgerInnen und Schutz der Freiheit
  • Entwicklung einer starken dynamischen und wirtschaftlichen Basis
  • Engagement für eine klimafreundlichere, grünere, fairere und inklusivere Zukunft
  • Verteidigung Europäischer Werte und Interessen auf globaler Ebene

Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien, Spanien und Portugal kritisieren dabei völlig zurecht das Fehlen der sozialen Dimension. Deutschland, Schweden, Dänemark sowie die EU-Kommission haben sich dieser Kritik ebenfalls angeschlossen.

Insbesondere die Stärkung und der Ausbau der Europäischen Säule sozialer Rechte fehlt in dieser Agenda gänzlich. Für die Gewerkschaften und Beschäftigten in der EU ist es von oberster Priorität, sozialpolitische Fragen in den Vordergrund zu rücken. Ein Abschlussdokument dazu soll am 21. und 22. Juni beim Treffen der Staats- und Regierungschefs beschlossen werden.