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Besonders in Krisenzeiten: EBR tragen zu sozialem und wirtschaftlichem Mehrwert bei

Das Europäische Parlament hat im Jänner 2021 einen Bericht veröffentlicht, in dem es den sozialen und ökonomischen Mehrwert Europäischer Betriebsräte (EBR) untersucht hat. Dabei wird deutlich, dass EU-Länder mit gut funktionierenden Arbeitsbeziehungen besser durch wirtschaftliche Krisen kommen und multinationale Unternehmen mit EBR Umstrukturierungsprozesse erfolgreicher meistern können. Klar wird jedoch auch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine funktionierende EBR-Arbeit noch verbessert werden müssen.

EU-Staaten mit gut funktionierenden Arbeitsbeziehungen kommen besser durch Krisen

Im Jahr 2013 stellte das Europäische Parlament fest, dass während der Wirtschaftskrise 2009-2010 vergleichsweise wenig Beschäftigte in EU-Mitgliedstaaten mit gut entwickelten Systemen der Arbeitsbeziehungen ihren Arbeitsplatz verloren haben. Vor allem deshalb, weil die ArbeitnehmerInnen und ihre Vertretungen auf der Grundlage von Gesetzen und kollektivvertraglichen Regelungen relativ gute Rechte in den Bereichen Anhörung, Unterrichtung und Vertretung in Vorständen oder Aufsichtsräten haben. Der Einsatz von Kurzarbeitsregelungen zur Vermeidung von Kündigungen war in diesen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls weit verbreitet.

Im Jahr 2020 waren die EU-Mitgliedstaaten insbesondere im zweiten Quartal stark von den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus betroffen. Das saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank um rund 12 %. Die Beschäftigung sank jedoch nur um 2,8 %. Mitgliedstaaten mit gut entwickelten Systemen der Arbeitsbeziehungen schnitten sogar noch besser ab, weit weniger Beschäftigte (0-2%) verloren ihren Arbeitsplatz. Ein weiterer Effekt wird im dritten Quartal 2020 sichtbar: Der moderate Beschäftigungsverlust im zweiten Quartal (-2,8%) wurde im dritten Quartal 2020 fast wieder ausgeglichen (nur noch -0,4 %). Gut ausgebaute Arbeitsbeziehungen hatten daher eine wichtige Stabilisierungsfunktion. Weniger Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz und die Erholung begann von einem höheren Niveau aus.

Unternehmen mit EBR meistern Umstrukturierungsprozesse sozialer und wirtschaftlicher

Es gibt auch zahlreiche Belege dafür, dass eine frühzeitige Konsultation zwischen Unternehmen und Belegschaftsvertretung einen erheblichen Einfluss auf die Arbeitsplatzsicherheit bei Umstrukturierungsprozessen hat. Rechtzeitige Anhörungen sind in vielen Fällen auch kosteneffizienter, wenn es sich um groß angelegte Umstrukturierungen handelt. Unternehmen mit adäquaten Formen des sozialen Dialogs sind in der Lage, selbst schwierige Umstrukturierungsmaßnahmen mit Unterstützung von Gewerkschaften und Belegschaftsvertretungen zu meistern. Vor allem dann, wenn Konsultationen in einem frühen Stadium stattfinden, um Kompromisse zu ermöglichen.

2012 wurde in Vorbereitung auf eine Entschließung des EU-Parlaments zur Unterrichtung und Anhörung von Beschäftigten sowie zur Beteiligung von BeschäftigtenvertreterInnen bei Umstrukturierungsprozessen eine europäische Mehrwertstudie erstellt. Dabei sollten Kosten und Nutzen einer möglichen Verbesserung des derzeitigen Rahmens für Demokratie am Arbeitsplatz untersucht sowie Schlussfolgerungen gezogen werden. Das Ergebnis sah EU-weit Effizienzgewinne von 12 Milliarden Euro jährlich vor, die dadurch erzielt werden könnten.

Angemessene Beteiligung von EBR oft aufgrund von Zeit- und Ressourcenmangel nicht möglich

Der Bericht des EU-Parlaments über die Umsetzung der EBR-Richtlinie 2009/38/EG stellte jedoch auch Schwächen bei den vorhandenen Mitteln fest, die es den Europäischen Betriebsräten ermöglichen, ihre Rechte durchzusetzen. Selbst in Unternehmen, in denen Unterrichtung und Anhörung vergleichsweise gut funktionieren, ist der EBR aufgrund von Zeit- und Ressourcenmangel oft nicht in der Lage, eine angemessene Beteiligung zu organisieren.

In Zukunft könnte eine systematischere Unterrichtung und Anhörung von EBRs zu einem noch größeren wirtschaftlichen Nutzen führen, vor allem durch eine Verringerung der Zahl jener Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass eine frühzeitige Konsultation, wenn sie in allen EU-Mitgliedstaaten angewendet wird, die Zahl der Entlassungen um mindestens 20 % reduzieren würde.