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Designierte EU-Kommissionsmitglieder stellen Programm vor

Die Hearings vermittelten einen guten Einblick in die politischen Vorhaben der jeweiligen designierten Kommissionsmitglieder. Wir haben die Anhörungen all jener KandidatInnen genauer unter die Lupe genommen, die aus gewerkschaftlicher Sicht von besonderer Bedeutung sind. Zusammenfassungen und Einschätzungen dazu sind hier aufgelistet.

Viele Ankündigungen, aber wenig Konkretes

Die einzelnen KommissarInnen haben in ihren Hearings durchaus viele politische Vorhaben, z.B. die Einführung eines Fonds zur Bewältigung des Klimawandels unter Berücksichtigung sozialer Parameter, angekündigt. Wie diese Ziele jedoch erreicht werden können und welche konkreten Maßnahmen dafür notwendig sein werden, bleibt über weite Strecken hinweg offen. Für die Gewerkschaftsbewegung heißt das, dass sie sich intensiv in die Gesetzgebungsprozesse einbringen muss, um sozialpolitische Erfolge zu erreichen und dem Trend zu einem Europa der Konzerne etwas entgegenzusetzen.

Wesentliche gewerkschaftliche Forderungen bleiben unerfüllt

Eine Kernforderung der europäischen Gewerkschaften, fehlt gänzlich, und zwar die nach einem sozialen Fortschrittsprotokoll im EU Primärrecht. Dieses würde sozialen Grundrechten Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes einräumen und wäre daher aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung.

Der schädliche Steuerunterbietungswettbewerb zwischen den EU-Staaten wird zwar von mehreren KommissarInnen thematisiert, konkrete Schlussfolgerungen, wie die Einführung von Mindeststeuersätzen auf Gewinne oder eine einheitliche Bemessungsgrundlage, werden daraus aber nicht gezogen. Der Kampf gegen Steuerbetrug wird zwar angekündigt, jedoch fehlen konkrete Maßnahmen wie z.B. die Schließung von Steueroasen innerhalb der EU.

An den Zielen und Inhalten der europäischen Handelspolitik, die auf Liberalisierung, Deregulierung sowie preislichem Wettbewerb abzielt, wird sich auch unter der neuen EU-Kommission kaum etwas verändern. Lediglich kosmetische Korrekturen, was die Anwendung der Abkommen und die Transparenz während der Verhandlungen betrifft, soll es geben. Ein Durchsetzungsmechanismus, der die im Nachhaltigkeitskapitel festgeschriebenen Arbeits- und Umweltstandards verbindlich machen würde, ist nicht vorgesehen.

Nicolas Schmit – Kommissar für Arbeitsplätze legt wichtige Forderungen auf den Tisch

Positiv hervorzuheben sind einige Vorschläge des designierten Kommissars für den Bereich „Arbeitsplätze“, Nicolas Schmit. Dieser legte gleich zu Beginn seines Statements ein klares Bekenntnis zur Stärkung der Sozialpartnerschaft auf allen Ebenen ab und kritisierte die Schwächung des sozialen Dialoges in den letzten Jahren durch die europäische Politik. Schmit will sich für die politische und finanzielle Stärkung des sozialen Dialoges in ganz Europa einsetzen.

Europäische Säule sozialer Rechte

Der designierte Kommissar will die in der Europäischen Säule sozialer Rechte (EPSSR) festgeschriebenen Prinzipien in Form von Legislativvorschlägen auf europäischer sowie nationalstaatlicher Ebene umsetzen. Dazu sollen auch finanzielle Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung stehen.

Europäischer Mindestlohn

In der Debatte rund um den Europäischen Mindestlohn erwähnt Schmit erneut die Notwendigkeit der Stärkung der Sozialpartner, wenn es um die Lohnfindung auf nationaler Ebene gehe. Er will eine Studie in Auftrage geben, die Möglichkeiten zur Stärkung kollektivvertraglicher Vereinbarungen darlegt. Rund um den Europäischen Mindestlohn stellt der Luxemburger klar, dass es sich dabei lediglich um einen unionsweiten Rahmen handeln solle, innerhalb dessen die nationalen Sozialpartner die Lohnfindung sicherstellen sollen. Ziel ist es, einen Aufwärtstrend bei den Löhnen insgesamt zu erreichen und mehr Konvergenz herzustellen.

Europäische Arbeitslosenrückversicherung

Im Portfolio des designierten Kommissars findet sich auch die Forderung einer Europäischen Arbeitslosenrückversicherung. Schmit betont dabei, dass dies als Ergänzung zu den nationalen Arbeitslosenversicherungssystemen diene und den Mitgliedstaaten bei wirtschaftlichen Turbulenzen zur Verfügung stehen solle. Aus gewerkschaftlicher Sicht ist dabei eine bessere soziale Absicherung der Beschäftigten durch die Einführung nationaler Mindeststandards bei den Arbeitslosenversicherungen einzufordern.

Regulierung der Plattformwirtschaft

Die Plattformökonomie bring in Bezug auf den rechtlichen Status sowie die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten große Herausforderungen mit sich. Schmit fordert für PlattformarbeiterInnen die gleichen Rechte wie für Beschäftigte in herkömmlichen Betrieben. Dies soll vor allem die kollektivvertragliche Abdeckung betreffen. Die Richtlinie für faire und transparente Arbeitsbedingungen soll hier als Grundlage für weitere Regulierungsschritte dienen.

Zu den Programmen und Hearings der drei exekutiven Vizepräsidenten der EU-Kommission haben wir ebenfalls eine Zusammenfassung sowie eine gewerkschaftliche Einschätzung verfasst.