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EU-Kommission präsentiert Arbeitsprogramm für 2022

Die Europäische Kommission erstellt jährlich ein Arbeitsprogramm, in dem die politischen Prioritäten und Vorhaben für die kommenden 12 Monate festgelegt werden. Darin wird auch beschrieben, wie diese Schwerpunkte durch konkrete Maßnahmen und Initiativen umgesetzt werden können. Am 19. Oktober hat die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2022 vorgestellt. Unter dem Titel „Europa gemeinsam stärker machen“ sind insgesamt 42 Initiativen in verschiedensten Politikbereichen geplant.

©Grecaud Paul - stock.adobe.com

EU-Kommission stellt strenge Fiskalregeln zur Debatte

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise einzudämmen, aktivierte die EU-Kommission bereits 2020 jene Ausnahmeklausel, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, von den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (öffentliches Defizit nicht mehr als 3% des BIP, öffentlicher Verschuldungsgrad nicht höher als 60% des BIP) abzuweichen. Dadurch konnten die Länder notwendige Maßnahmen für die Stabilisierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt finanzieren.

Im Arbeitsprogramm kündigt die EU-Kommission nun eine Konsultation zu den Fiskalregeln und dem Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU an.

Hier wird sich zeigen, ob die einzelnen Mitgliedstaaten wieder zu den strengen Haushaltsregeln zurückkehren wollen, oder ob sie weiterhin den notwendigen Spielraum für öffentliche Investitionen beibehalten möchten. Es zeichnet sich bereits ab, dass das spannende und teils kontroverse Auseinandersetzungen werden können.

Initiativen in den Bereichen Arbeitsbedingungen, Beschäftigungs- und Sozialpolitik

Zentraler Punkt im Arbeitsprogramm für den Bereich Beschäftigung ist die Überwachung der Umsetzung des Aktionsplanes zur Europäischen Säule sozialer Rechte – auf Ebene der Mitgliedstaaten. Die Kommission geht jedoch nicht näher auf konkrete Schritte dazu ein.

Insbesondere durch die Corona-Pandemie wurde klar, dass starke soziale Netze von entscheidender Bedeutung sind. Trotz dieser Erkenntnis kündigt die EU-Kommission in ihrem Arbeitsprogramm nur eine einfache Empfehlung zum Thema Mindesteinkommen an. Das wäre ein unverbindlicher Text, um entsprechende politische Strategien der Mitgliedstaaten beim Aufbau von stärkeren sozialen Netzen zu unterstützen.

Im 3. Quartal soll eine Gesetzesinitiative zur Verbesserung des Schutzes der Beschäftigten vor der Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz beschlossen werden. Diese wird auf dem Ergebnis der Konsultation der Sozialpartner sowie auf einem Bericht des EU-Parlaments dazu aufbauen.

Ebenfalls für das 3. Quartal angekündigt wird eine weitere Gesetzesinitiative zur Stärkung der Rolle und der Unabhängigkeit von Gleichbehandlungsstellen.

Dies wird unter anderem Auswirkungen auf Verstöße gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung haben, auch im Bereich Beschäftigung.

In ihrem Programm spricht die EU-Kommission zudem von einer Mitteilung zur Stärkung des sozialen Dialogs auf EU- und nationaler Ebene. Dadurch soll die „wichtige Rolle der Sozialpartner bei der Förderung einer gerechten, sozialen und kohäsiven wirtschaftlichen Erholung, des ökologischen und digitalen Wandels und der Übergänge auf dem Arbeitsmarkt weiter gestärkt werden‟. Diese Ankündigung findet sich jedoch nicht in den konkreten Initiativen für 2022 wieder.

Europäische „Care“ – Strategie und Rechtsakt zur Medienfreiheit

Begrüßenswert ist jedenfalls die angekündigte Europäische Strategie für Pflege und Betreuung, mit der ein Rahmen für politische Reformen geschaffen werden soll. Diese Mitteilung soll sich an das Pflege- und Betreuungspersonal und auch an Pflege- und Betreuungsbedürftige richten und das gesamte Spektrum von der Kinderbetreuung bis zur Langzeitpflege abdecken.

Der in den Initiativen avisierte „Europäische Rechtsakt zur Medienfreiheit“ soll ein wirksames Instrument zur Durchsetzung von Medienfreiheit- und -vielfalt sein und ist angesichts jüngster Entwicklungen in der EU dringend notwendig.

Gewerkschaften kritisieren „One-in-one-out“ – Regel

Die EU-Kommission will weiterhin an ihrem „One-in-one-out“ Grundsatz festhalten. Ziel dessen ist es, für jeden neu beschlossenen Rechtsakt einen alten zu streichen. Der Kommission zufolge soll diese Regelung vor allem Klein- und Mittelbetriebe entlasten, die am stärksten unter den „Verwaltungslasten“ und „komplizierten Gesetzen“ leiden würden.

Praktisch bedeutete das in der Vergangenheit jedoch meistens weniger zu einer Vereinfachung der Verwaltung beizutragen, sondern vielmehr zur Streichung von EU-Regelungen, die gewisse Schutzstandards für die Beschäftigten in Europa gebracht haben.

EGB-Visentini: Soziale Gerechtigkeit scheint von der Tagesordnung zu verschwinden

Luca Visentini, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, kommentierte das Arbeitsprogramm folgendermaßen: "Nach einer anfänglichen Welle von Aktivitäten im Bereich der sozialen Rechte durch die von der Leyen-Kommission und sehr notwendigen Maßnahmen zur Rettung von Arbeitsplätzen und Investitionen in den Aufschwung als Reaktion auf die Pandemie, scheint die soziale Gerechtigkeit nun von der Tagesordnung zu verschwinden.“