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Eine Union, die mehr erreichen will

Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte

Laut EU-Kommission soll ein Dialog- und Konsultationsprozess den Weg für einen Aktionsplan zur Umsetzung der in der Europäischen Säule sozialer Rechte (EPSR) verankerten Ziele ebnen.

Als Gewerkschaften fordern wir die Umsetzung der in der EPSR verankerten, bisher unverbindlichen Prinzipien seit ihrer Proklamation im Jahr 2017. Im Vordergrund dabei muss stehen, dass die EU konkrete Maßnahmen ergreift, um die Lebenssituation der Beschäftigten zu verbessern und die sozialen Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten wirksam zu bekämpfen. Ein erster Schritt zur verbindlichen Umsetzung der EPSR wäre eine Überarbeitung des Europäischen Semesters, wodurch sichergestellt wird, dass die soziale Dimension und soziale Rechte darin tatsächlich den gleichen Stellenwert wie wirtschaftliche Ziele haben. Darüber hinaus muss für eine ausreichende finanzielle Ausstattung zur Umsetzung dieser Prinzipien gesorgt werden. Dazu sollen Mittel aus den bestehenden EU-Fonds und dem aktuellen EU-Budget bereitgestellt werden. Die Einbindung der SozialpartnerInnen ist dabei in allen Bereichen sicherzustellen.

Europäischer Mindestlohn

Die Kommission verhandelt aktuell auf ihren Vorschlag hin mit den SozialpartnerInnen über ein Rechtsinstrument für einen Mindestlohn auf europäischer Ebene. Laut Kommission sollen dabei die Traditionen und Tarifverhandlungen der jeweiligen nationalen Ebenen berücksichtigt werden.

Grundsätzlich ist die Kommissionsinitiative zur Stärkung der Lohnpolitik in Europa begrüßenswert. Jedoch ist jedes Instrument zur Aufwertung von (gesetzlichen) Mindestlöhnen in jenen Mitgliedstaaten, wo sie existieren, immer auch mit Maßnahmen zur Stärkung der SozialpartnerInnen und der KV-Systeme zu begleiten. Denn, gesetzliche Mindestlöhne sind immer nur das zweitbeste Mittel und dürfen sozialpartnerschaftliche Verhandlungsmodelle keinesfalls ersetzen. Daher müsste vielmehr die Förderung von KV-Verhandlungen primäres Ziel eines solchen EU-Instrumentes sein. Diese Stärkung müsste primär natürlich in den Mitgliedstaaten erfolgen, verbindliche Zielvorgaben durch die EU in diesem Bereich sind jedoch notwendig und richtig.

Ein Rechtsinstrument für einen Europäischen Mindestlohn muss auch garantieren, dass kein Mitgliedstaat und keinE SozialpartnerIn gegen seinen/ihren Willen verpflichtet werden kann, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen. Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) darf hierbei durch die Hintertüre nicht ermöglicht werden, in nationale KV-Systeme einzugreifen.

Europäische Arbeitslosenrückversicherung

Der geplante Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung soll laut EU-Kommission dem Ziel dienen, Erwerbstätige zu unterstützen und Personen, die ihren Arbeitsplatz aufgrund externer wirtschaftlicher Schocks verloren haben, zu schützen. Der Förderung von Umschulungsmaßnahmen soll dabei eine besonders wichtige Rolle zukommen.

Das Ziel ist im Wesentlichen unterstützenswert, muss jedoch mit EU-weiten und rechtlich verbindlichen Mindeststandards für die Leistungen nationaler Arbeitslosenversicherungssysteme einhergehen. Darunter fällt aus gewerkschaftlicher Sicht eine Mindest-Nettoersatzrate von 75% des Erwerbseinkommens, eine Mindest-Anspruchsdauer von 18 Monaten sowie eine Mindest-Abdeckungsquote von 50% im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit. Die Mindeststandards müssen von allen Mitgliedstaaten innerhalb eines definierten Zeitrahmens (schrittweise) erreicht werden. Außerdem soll damit auch ein Rechtsanspruch auf Aus- und Weiterbildung bei Arbeitslosigkeit mit begleitendem Anspruch auf eine Existenzsicherungsleistung verbunden sein. Eine Nicht-Rückschrittsklausel soll bereits erreichte höhere Standards in den nationalen Arbeitslosenversicherungssystemen absichern.

Europäische Bildungs- und Gleichstellungspolitik

Die EU-Kommission kündigt die Verwirklichung eines Europäischen Bildungsraumes an, bei dem die Ermittlung und Beseitigung von Qualifikationsdefiziten durch entsprechende Unterstützung für Umschulungsmaßnahmen erfolgen soll. Ein Aktionsplan für digitale Bildung soll erstellt werden, um Investitionen in digitale Kompetenzen Beschäftigter zu ermöglichen. Die europäische Jugendgarantie, die Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen ermöglicht, soll gestärkt werden.

Eine Gleichstellungsstrategie für Frauen, mit besonderem Augenmerk auf geschlechtsspezifische Gewalt, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Zugang zum Arbeitsmarkt soll ebenfalls erstellt werden. In diesem Zusammenhang will man auch Vorschläge zur Lohntransparenz vorlegen.

Diese Initiativen im Bildungs- und Gleichstellungsbereich gehen jedenfalls in die richtige Richtung. Entscheidend dabei wird jedoch die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der angekündigten Aktionspläne, Garantien und Strategien sein. Weiters werden vor allem die zur Verfügung stehenden Finanzmittel für die jeweiligen Projekte von großer Bedeutung sein und zeigen, wie ernst es die Kommission mit ihren Ankündigungen tatsächlich meint.

Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2020 in voller Länge