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Was hat die EU uns Beschäftigten gebracht?

Sozialgesetzgebung ist eine nationalstaatliche Kompetenz – die EU kann hier nur koordinierend aktiv werden. Dennoch gab es seit Beginn der 1990er Jahre mehrere Richtlinien, die soziale und arbeitsrechtliche Mindeststandards für alle Mitgliedsstaaten einführten. In manchen Staaten, wie etwa Österreich, waren solche Standards bereits erfüllt – in anderen führten die Mindestanforderungen zu erheblichen Verbesserungen für die Beschäftigten.

Soziales Arbeitsrecht

Ein Schwerpunkt der EU-Aktivitäten im Bereich Sozialgesetzgebung ist die rechtliche Gleichstellung atypischer Arbeitsverhältnisse mit Normalarbeitsverhältnissen. Durch die stetig steigende Zahl von Teilzeitbeschäftigung, befristeter Verträge und Leiharbeit ist es essentiell, dass damit nicht „ArbeiterInnen zweiter Klasse“ geschaffen werden, sondern diese Zugang zu denselben Rechten haben. Insbesondere mit Blick auf Geschlechtergleichstellung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie versucht hier die EU, regulierend einzugreifen.

Darüber hinaus gibt es bspw. die Richtlinie über die Rechte von ArbeitnehmerInnen bei Massenentlassungen, die ab gewissen Schwellenwerten die Unternehmen verpflichtet, frühzeitig die Entlassung mehrerer Beschäftigter beim AMS mitzuteilen.

Mitwirkungsrechte der Belegschaften in transnationalen Konzernen wurden in der Richtlinie über Europäische Betriebsräte festgeschrieben. Seit Bestehen der Richtlinie wurden fast 1.200 solcher grenzübergreifenden Gremien gegründet, die laufend über die Entwicklung ihres Unternehmens unterrichtet und angehört werden.

Arbeitssicherheit und Höchstarbeitszeit

Sicherheit am Arbeitsplatz ist durch europäische Maßnahmen erheblich gestiegen. Z.B. gibt es Richtlinien über die Benutzung bestimmter Arbeitsmittel, notwendige Schutzausrüstungen oder den Schutz vor bestimmten Gefahren wie Ioneneinstrahlung. Bestimmte Personengruppen wie Schwangere, Jugendliche und Selbstständige werden auch von besonderen Schutzrechten erfasst. Die EU versucht auch, neuen Risiken wie Umweltgiften (wie krebserregenden Stoffen), Stress oder Mobbing zu begegnen.

Für Österreich hat insbesondere die Arbeitszeitrichtlinie an Bedeutung gewonnen. Diese schreibt etwa einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens vier Wochen, eine tägliche Ruhezeit von 11 Stunden sowie eine verpflichtende Ruhepause bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden vor. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit wird mit 48 Stunden (incl. Überstunden) begrenzt – allerdings gibt es hier einen Spielraum bzgl. des Durchrechnungszeitraums. Ohne die Arbeitszeitrichtlinie hätte die österreichische Bundesregierung mit ihrem Arbeitszeitverlängerungsgesetz noch weiter gehen können.

Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping

Trotz der Mindeststandards gibt es in der EU ein enormes Gefälle bei Löhnen und Sozialleistungen bzw. -abgaben. Das wird von Unternehmen genutzt, um Lohn- und Sozialdumping zu betreiben: Arbeitskräfte mit bspw. ungarischen Arbeitsverträgen kosten weniger als welche mit österreichischem Vertrag.

Um dem entgegenzuwirken wurde bereits 1996 die Entsende-Richtlinie verabschiedet, die das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort festschreibt (z.B. ein ungarischer Bauarbeiter muss nach österreichischem Kollektivvertrag bezahlt werden). Faktisch gibt es hier immer noch Missbrauch, die Weiterentwicklung und Verschärfung der europäischen Richtlinie gibt Beschäftigten und Gewerkschaften zumindest ein Instrument, um dagegen vorzugehen.

Wirtschaftswachstum und KonsumentInnenschutz

Durch die Globalisierung und Monopolisierung gewisser Märkte kommen manche Sparten und vor allem Klein- und Mittelunternehmen unter Druck. Die vier Binnenmarktfreiheiten (freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) haben sich aber für viele Branchen vorteilhaft ausgewirkt. Eine starke europäische Wirtschaft hat Arbeitsplätze in Österreich gesichert oder gar geschaffen.

Auch KonsumentInnen haben von der Europäischen Union profitiert. Neben der Reisefreiheit und der gemeinsamen Währung führen viele Menschen den Wegfall der Roaming-Gebühren als positiven Effekt an.

Umkämpfte Standards

Insbesondere die Konzernelobby versucht, eine Weiterentwicklung dieser sozialen Errungenschaften zu bekämpfen. In Österreich hat das eine gänzlich neue Dimension angenommen. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer versuchen, österreichische Standards, die oberhalb des europäischen Niveaus liegen, zu senken. Sie behaupten, dass diese österreichischen Regelungen eine „Vergoldung“ von EU-Recht wären („Gold-Plating“) und wollen dieses verbieten. Konkret könnte das bedeuten, dass die fünfte Urlaubswoche in Frage gestellt wird. Diese Tendenzen gehen aber in die falsche Richtung. Wir brauchen mehr und höhere soziale und arbeitsrechtliche Standards in Europa.