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Online Diskussion: Gerechtigkeit gesucht - Mindestlohn in der EU

EU-Kommission präsentiert Vorschlag zu angemessenen Mindestlöhnen

Die EU-Kommission legte Ende Oktober einen Vorschlag für eine Richtlinie zu angemessenen Mindestlöhnen vor. Ziel ist weder die Festlegung eines einheitlichen europäischen Mindestlohns noch die Harmonisierung der Lohnfindungsmodelle. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass alle Beschäftigten einen gerechten Mindestlohn bekommen, der ihnen in dem Land, in dem sie arbeiten, einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht.

EU-Kommissar Schmit: Lohnscheren müssen in ganz Europa geschlossen werden

Kommissar Schmit machte gleich zu Beginn die Notwendigkeit einer Gesetzesinitiative für einen angemessenen Europäischen Mindestlohn deutlich. Der Richtlinienvorschlag sei eine wesentliche Maßnahme, um der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit in Europa entgegenzuwirken.

Der Kommissar sieht vor allem in Anbetracht der enormen Lohngefälle innerhalb Europas (Mindestlohn pro Stunde: Luxemburg: 11,97 Euro, Bulgarien: 1,72 Euro) Handlungsbedarf. Dies betrifft jedoch nicht nur die unterschiedlichen Lohnniveaus zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch die Lohndifferenzen innerhalb einzelner Länder, die beispielsweise durch ausgeprägte Niedriglohnsektoren in den letzten Jahrzehnten enorm angewachsen sind.

Der Luxemburger Schmit stellte auch klar, dass für ihn gesetzliche Mindestlöhne jedoch nur das zweitbeste Mittel im Kampf für höhere Einkommen darstellen. Er spricht sich daher für eine aktive Förderung der Sozialpartnerschaft sowie kollektivvertragliche Vereinbarungen in den einzelnen Branchen und Mitgliedstaaten aus.

GPA-Vorsitzende Barbara Teiber: Unterstützung für Richtlinienvorschlag, Nachbesserungen aber noch notwendig

GPA-Vorsitzende Barbara Teiber begrüßt prinzipiell die EU-Initiative für einen angemessenen Mindestlohn und verweist dabei auf die viel zu niedrigen gesetzlichen Lohnuntergrenzen in den östlichen Nachbarstaaten Österreichs. Teiber zeigt sich auch erfreut darüber, dass die Kommission einen Vorschlag erarbeitet hat, der auf kein „one size fits all“-Modell abzielt, sondern auf die unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen Rücksicht nimmt und funktionierende Lohnfindungsmodelle wie in Österreich oder den skandinavischen Ländern nicht beeinträchtigen wird. „Die Klarstellung, dass kein Mitgliedstaat gezwungen ist, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, ist für mich essenziell“, hält die Spitzengewerkschafterin fest.

Teiber erwähnt aber auch Bereiche, in denen aus ihrer Sicht noch Nachbesserungen am Richtlinienvorschlag getätigt werden müssen. Was die jeweilige Höhe nationaler Lohnuntergrenzen anbelangt, hat die Kommission bisher noch keinen konkreten Schwellenwert festgelegt, unter den Mindestlöhne nicht fallen dürfen. „Als Gewerkschaften haben wir dazu 60% des Medianeinkommens bzw. 50% des Durchschnittseinkommens vorgeschlagen. Die Kommission hat selbst dargelegt, dass dieser Schwellenwert zu signifikanten Verbesserungen für 25 Mio. Beschäftigte führen würde. Wir fordern daher auch die konkrete Festlegung dieser Schwelle als europaweite Lohnuntergrenze“, so Teiber.

Darüber hinaus soll über die Vergaberichtlinie sichergestellt werden, dass öffentliche Aufträge tatsächlich nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die einem Kollektivvertrag unterliegen. Das müsse dann auch für EU-Mittel gelten.

„Union busting“ verhindern und kollektivvertragliche Verhandlungsmodelle ins Zentrum rücken

Auch was die nationalen Aktionspläne zur Anhebung der KV-Abdeckung anbelangt, sieht Teiber noch Nachbesserungsbedarf. „Als Gewerkschaften fordern wir hier konkrete Maßnahmen gegen „Union Busting“, wenn also Unternehmen mit allen Mitteln versuchen, Gewerkschafts- oder Betriebsratsgründungen zu verhindern. Es ist unglaublich wichtig, dass die die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Gewerkschaftsrechte gestärkt werden. Ein soziales Europa geht nur mit starken Gewerkschaften und mit betrieblicher Mitbestimmung“. Die GPA-Vorsitzende richtet abschließend noch den Appell an die EU-Politik, die Förderung von kollektivvertraglichen Verhandlungsmodellen ins Zentrum zu rücken.