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Paradigmenwechsel in Finnland

GPA-djp Fact Finding Mission zur Situation der finnischen Beschäftigten

Sophia Reisecker und David Mum mit Elena Gorschkow von PAM

 

Seit 2015 regiert in Finnland eine Mitte-Rechts-Koalition aus der Zentrumspartei, der Nationalen Sammlungspartei und der Partei der Finnen. Sie hat von Beginn an eine Politik verfolgt, die Rechte von ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften beschneidet. David Mum (Mitglied der Bundesgeschäftsführung, Leiter der Grundlagenabteilung) und Sophia Reisecker (Leiterin der Abteilung Europa, Konzerne, internationale Beziehungen) machten sich für die GPA-djp am 14. und 15. Februar 2019 zu einer Fact Finding Mission nach Finnland auf.

Herbe Einschnitte bei Arbeitsrechten seit 2015

Bereits mit dem auf Druck der Regierung durch die Sozialpartner verhandelten „Wettbewerbspakt“ kam es 2016 zu ersten Verschlechterungen: Die Löhne wurden für ein Jahr eingefroren, drei Feiertage wurden gestrichen (24 Stunden mehr Arbeitsleistung ohne Lohnausgleich), Pensions- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge wurden von ArbeitgeberInnen auf ArbeitnehmerInnen umgewälzt, bei öffentlich Bediensteten wurde das Urlaubsgeld um 30 % gekürzt.

Kurz darauf wurden die Ladenöffnungszeiten gänzlich liberalisiert. 2018 wurde ein „Aktivierungsmodell“ für Arbeitslose eingeführt: Wenn Arbeitslose nicht nachweisen können, eine gewisse Stundenanzahl Lohnarbeit geleistet zu haben oder an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen zu haben, wird ihnen die Unterstützung um 4,65 % gekürzt. Weiters wurde der Kündigungsschutz für Beschäftigte in kleinen Unternehmen sowie für junge ArbeitnehmerInnen gelockert. Mehr als die Hälfte der Arbeitslosen sind von den Kürzungen betroffen.

Als die Regierung auch den Kündigungsschutz für Beschäftigte in Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten aushebeln wollte, organisierten die Gewerkschaften Streiks und Großdemonstrationen und konnten verhindern, dass dieses Vorhaben so umgesetzt wird.

Sophia Reisecker und David Mum mit Erkki Tuomioja, früherer finnischer Außenminister

Paradigmenwechsel in der Sozial- und Lohnpolitik

In Finnland gibt es die Tradition, dass arbeitsrechtliche und soziale Standards vor allem in Kollektivverträgen festgeschrieben werden, hier also eine weitgehende Autonomie der Sozialpartner besteht. Die finnische Regierung übte seit 2015 enormen Druck auf die Gewerkschaften aus und setzte Verschlechterungen auf gesetzlichem Wege durch.

Hinzu kommt, dass die nationalen Arbeitgeberverbände aus den nationalen Rahmenverhandlungen ausstiegen. In diesen Rahmenverhandlungen wurde einerseits eine untere Grenze für Lohnerhöhungen festgesetzt, was langfristig etwa dazu führte, dass der Niedriglohnsektor in Finnland sehr gering ist. Andererseits gaben diese nationalen Abkommen Themenbereiche wie Arbeitszeit vor, die dann in den Branchenkollektivverträgen umgesetzt wurden.

Kollektivvertragsverhandlungen sind für die finnischen Gewerkschaften in den letzten Jahren schwieriger geworden. Gerade Ungleichheiten in Niedriglohnsektoren oder der Gender Pay Gap sind weitaus schwieriger zu bekämpfen.

GPA-djp Fact Finding Mission

Die GPA-djp Delegation traf sich in diesen zwei Tagen mit VertreterInnen der finnischen Gewerkschaften, aber auch mit Beamten und Vertretern aus der Politik. Im Vordergrund stand der Austausch über die aktuellen politischen Entwicklungen in Finnland und Österreich. Aber auch gewerkschaftliche Strategien unter diesen Rahmenbedingungen wurden diskutiert. Insbesondere bei der Mitgliederwerbung und der zunehmenden Konfliktorientierung von Kollektivvertragsverhandlungen gilt es, Strategien anzupassen.

Das PAM Gebäude in Helsinki

Wahlen in Finnland

Am 14. April wird Finnland ein neues Parlament wählen. Die finnischen Gewerkschaften setzen sich für eine hohe Wahlbeteiligung ein und bereiten sich bereits darauf vor, was sie von der nächsten Regierung erwarten. Dabei geht es natürlich um die Zurücknahme einiger Reformen, die zum Nachteil der Beschäftigten waren. Diese haben nicht nur Arbeitsbeziehungen betroffen. Auch im früher vorbildlichen Bildungssystem gab es massive Einsparungen und die Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen für Eltern wurde teilweise zurückgenommen. Im Pflegebereich gibt es in privatisierten Einrichtungen mitunter skandalöse Zustände. Es sind daher neue soziale Modelle gefordert, etwa bei Karenz und im Sozial- und Gesundheitswesen.