"Stem the tide!"
Foto: Peter Björklund
Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) organisierte vom 6. bis zum 9. Februar 2018 ein Seminar unter dem Titel „Stem the tide! Restrictions and violations of trade union/labour rights“. Es ging dabei einerseits um eine Sammlung und die Analyse von Angriffen bzw. Einschränkungen von ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechten in Europa. Andererseits befassten sich die TeilnehmerInnen auch mit möglichen Strategien und Kampagnen, um dagegen vorzugehen.
Realität in Europa
Die Gruppe setzte sich aus 9 europäischen Ländern zusammen: Spanien, Italien, Griechenland, Großbritannien, Schweden, Österreich, Ungarn, Polen und Litauen. Alle TeilnehmerInnen konnten Geschichten über Angriffe bzw. Einschränkungen von ArbeitnehmerInnen- oder Gewerkschaftsrechten erzählen.
Beispielsweise hat ein neues Gesetz in Ungarn das Streikrecht insbesondere im Eisenbahnverkehr massiv eingeschränkt. Denn selbst wenn die Eisenbahner streiken, muss ein „ausreichender Dienst“ von 50 % bis 66 % angeboten werden. Damit wird jeder Streik unsichtbar.
In Italien hatten sich 2015 die 30 Beschäftigten des Kolosseums in Rom für drei Stunden zu einer Betriebsversammlung getroffen; sie hatten seit sechs Monaten keine Überstunden ausbezahlt bekommen. Obwohl das Kulturministerium darüber ordnungsgemäß informiert gewesen war, wurde den Gewerkschaften danach vom Staat vorgeworfen, das Land zu schädigen. Die Regierung reagierte prompt und erließ ein Dekret, das den Museen als „zentrale Dienstleistung“ definierte, womit immer ein Grundsockel an Aktivität vorhanden sein muss.
Ein neues Gesetz in Großbritannien schreibt vor, dass es für jede Streikaktivität eine Umfrage unter allen Beschäftigten des Unternehmens geben muss. Dafür müssen lange Fristen eingehalten werden, der Arbeitgeber ist somit frühzeitig informiert. Außerdem müssen im Zuge der Umfrage über 50 % der ArbeitnehmerInnen dem Streik zustimmen. In „wichtigen öffentlichen Dienstleistungen“ ist die Schlüsselzahl der Zustimmung sogar noch höher.
Gründe für Angriffe auf Gewerkschaftsrechte
Die Situation in den europäischen Ländern ist zwar sehr unterschiedlich, es zeigte sich jedoch sehr rasch, dass die Gewerkschaften überall mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Diese Erkenntnis spitzte sich zu, als über die Gründe für diese Angriffe diskutiert wurde.
Identifiziert wurden etwa das Fehlen einer demokratischen Kultur und gleichzeitig das Aufsteigen autoritärer Regierungen. Die vorherrschende neoliberale Hegemonie, Austeritätspolitik, der omnipräsente Wettbewerbsdiskurs und die starke Vernetzung von Arbeitgebern auf allen Ebenen wurden ebenso festgehalten. Offen wurde aber auch die Herausforderung von Gewerkschaften angesprochen, neue Mitglieder und damit Stärke zu gewinnen, u.a. weil Individualisierung den Solidaritätsgedanken verdrängt.
Europaweite Vernetzung und Solidarisierung
Im Rahmen des Seminars wurden Kampagnen von nationalen und europäischen Gewerkschaften analysiert. Dabei ging es zum einen darum, Ableitungen für die eigene Gewerkschaftsarbeit zu treffen, zum anderen können bestehende europäische Kampagnen effizienter genutzt werden.
Über das inhaltliche Wissen hinaus profitierten aber alle TeilnehmerInnen von den Geschichten aus anderen Ländern. Diese Geschichten von Angriffen auf ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechten werden weitererzählt werden. Zudem kann zukünftig auf dieses Netzwerk zurückgegriffen werden, um grenzüberschreitend aktiv zu werden.