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Valdis Dombrovskis: Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen

Der Lette Valdis Dombrovskis, designierter Kommissar für Wirtschaftspolitik sowie Vizepräsident der Europäischen Kommission, stellte am 8. Oktober dem Europäischen Parlament die Schwerpunkte seines Programmes vor. Dabei musste er sich den Fragen der ParlamentarierInnen aus den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung, Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie für Haushalt stellen. Dombrovskis sieht es als seine Hauptaufgabe, in der bevorstehenden Periode den digitalen und grünen Wandel in Europa zu finanzieren.

Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

Der designierte Kommissar stellte gleich zu Beginn klar, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vorantreiben zu wollen. Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) sollen durch einen öffentlich-privaten Fonds leichter Zugang zu Finanzierungsquellen erhalten und damit einen barrierefreien Börsenzugang. Anstelle traditioneller Unternehmensfinanzierungen durch Bankenkredite sollen KMUs dabei eher durch kapitalmarktbasierte Quellen, die risikobehaftet sind, finanziert werden.

Darüber hinaus sollen die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gelockert werden, um mehr Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.

Bemerkenswert ist jedenfalls, dass sich Dombrovskis die begrenzte Einführung einer goldenen Investitionsregel, die mehr Spielraum bei öffentlichen Investitionen ermöglichen würde, vorstellen kann. Das fordern die Gewerkschaften schon seit Langem. Auch das Europäische Semester, das zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb der Eurozone dient, soll stärker unter sozial- und umweltpolitische Aspekte gestellt werden.

Vollendung der Bankenunion

Geplant sind auch die Vollendung der Bankenunion und die damit verbundene Einführung der gemeinsamen europäischen Einlagensicherung. Hier wird jedoch vor allem mit Widerstand aus Deutschland zu rechnen sein, wo man das Modell ablehnt.

Aus gewerkschaftlicher Sicht kann die Vollendung der Bankenunion nur dann Unterstützung finden, wenn damit auch eine umfassende Regulierung der Finanzmärkte, eine Bankenstrukturreform sowie die Regulierung von Schattenbanken einhergeht.

Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte

In Bezug auf sozialpolitische Themen hat Dombrovskis von sich aus nur wenig Ambitionen erkennen lassen. Auf die zahlreichen Fragen der Abgeordneten hin, die sich nahezu ausschließlich rund um das Thema Sozialpolitik drehten, musste er jedoch Stellung beziehen.

Zur Umsetzung der in der europäischen Säule sozialer Rechte festgeschriebenen Ziele soll ein konkreter Aktionsplan ausgearbeitet werden. Diese Ankündigung ist grundsätzlich positiv, es bleibt jedoch abzuwarten, wie dieser im Detail aussehen wird.

Unter anderem soll dieser Aktionsplan laut Dombrovskis auch die Plattformökonomie umfassen, unter der Prämisse, dass die Beschäftigten ausreichend Schutzmechanismen benötigen und am sozialstaatlichen Modell durch Beiträge sowie Ausschüttungen beteiligt sein müssen.

Der designierte Kommissar bekannte sich zur Wichtigkeit des sozialen Dialoges in Europa und wies darauf hin, dass mit Nicolas Schmit (design. Kommissar für den Bereich Arbeitsplätze), erstmals in einer EU-Kommission eine klare Zuständigkeit für den sozialen Dialog geschaffen wurde.

Europäischer Mindestlohn und Arbeitslosenrückversicherung

Die Ankündigung der Kommission, allen Beschäftigten in der EU einen gerechten Mindestlohn garantieren zu wollen, ist notwendig und richtig. Solche Lohnuntergrenzen müssen aber unter Einhaltung der nationalen Systeme der Lohnfindung (gesetzlich oder über Kollektivvertrag) und unter Wahrung der Autonomie der Sozialpartner festgesetzt werden und ausreichend hoch sein.

Ziel muss es sein, rechtliche Rahmenbedingungen für funktionierende nationale KV-Systeme auf Branchenebene in allen Mitgliedstaaten zu schaffen.

Im Zusammenhang mit der von Ursula von der Leyen eröffneten Debatte über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion ist der Vorschlag zur Errichtung einer Stabilisierungsfunktion für die Eurozone entstanden. Diese soll es Mitgliedstaaten ermöglichen, in Zukunft besser auf Konjunkturschwankungen zu reagieren. Dombrovskis hat diese Idee in seinem Programm aufgegriffen und die Schaffung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung als Ergänzung zu den nationalen Arbeitslosenversicherungssystemen in Aussicht gestellt. Dazu wäre aber eine bessere soziale Absicherung durch die Einführung von Mindeststandards bei nationalen Arbeitslosenversicherungen aus gewerkschaftlicher Sicht notwendig. Von einem solchen Aufwärtstrend war bei seinem Hearing jedoch keine Rede.

Grüner Investitionsplan

Völlig zu Recht stellte der designierte Kommissar fest, dass der Übergang zu einem klimaneutralen Europa nur unter der Berücksichtigung sozialpolitischer Aspekte vollzogen werden kann. Dombrovskis spricht sich daher für einen „just transition“ Fonds aus, durch den der Wandel begleitet und sozialpolitisch verträglich gemacht werden soll. Die europäische Investitionsbank (EIB) soll zur Klimabank umfunktioniert werden und nachhaltige Investitionen in der Höhe von über einer Billion Euro in den nächsten Jahren für diesen Übergang zur Verfügung stellen. Bereits bis zum Jahr 2025 sollen die Hälfte der Investitionen der EIB in den grünen Investitionsplan fließen.