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Europa im Kampf gegen das Corona-Virus

Das Corona-Virus hat durch die dramatischen wirtschaftlichen Folgen auch negative arbeitsmarktpolitische Auswirkungen, die die ArbeitnehmerInnen in ganz Europa hart treffen. Ziel muss es daher sein, die Beschäftigten vor Arbeitslosigkeit zu schützen und sie durch staatliche Beihilfen wirtschaftlich abzusichern. Gewerkschaften in ganz Europa fordern darüber hinaus konkrete Verbesserungen vor allem für jene Beschäftigten, deren Arbeitsbedingungen sich aufgrund der Virusbekämpfung besonders verschlechtert haben. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat auf seiner Homepage die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der einzelnen EU-Länder aufgelistet. Wir haben hier die wesentlichsten branchenspezifischen Forderungen und Errungenschaften aus verschiedenen EU-Ländern zusammengefasst.

Lebensmittelhandel: Mehr Pausen und keine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten

Die Beschäftigten im Lebensmittelhandel sind derzeit durch die enorme Arbeitsbelastung, längeren Arbeitszeiten sowie dem ständigen KundInnenkontakt mit besonders herausfordernden Arbeitsbedingungen konfrontiert. Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert daher die Ausweitung und engere Taktung von Pausen, um den Erholungswert der Beschäftigten zu gewährleisten. Auch eine regelmäßige Desinfizierung von Arbeitsgeräten und der Einrichtungen muss sichergestellt sein.

Ver.di, aber auch viele andere europäische Gewerkschaften, sprechen sich auch klar gegen eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten im Lebensmittelhandel aus. Dennoch ist leider in vielen Regionen eine Verlängerung der Öffnungszeiten sowie Sonntagsöffnung als Reaktion auf COVID-19 zu beobachten.

Bankensektor: Direkten KundInnenkontakt vermeiden

Die Beschäftigten im Bankensektor sind durch die erhöhte Frequenz in den Filialen und dem permanenten KundInnenkontakt ebenfalls erschwerten Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Mehrere italienische Bankengewerkschaften sowie der italienische Bankenverband haben deshalb eine Vereinbarung ausgehandelt, die die Beschäftigten durch persönliche Schutzausrüstungen oder zumindest durch Glaswände vor dem direkten Kontakt mit den KundInnen schützen soll. Darüber hinaus ist der Zugang zu den Bankfilialen für KundInnen nur nach Terminvereinbarung möglich.

Gesundheitsbereich: Personalaufstockung und bessere Schutzmaßnahmen

Die Gesundheitssysteme nahezu aller europäischer Staaten stoßen derzeit an ihre Grenzen. Dies geht mit einer hohen Arbeitsbelastung für die Beschäftigten in diesem Bereich einher. Französische Gewerkschaften aber auch die deutsche Gewerkschaft Ver.di fordern daher Personalaufstockungen im Gesundheitsbereich, um die Arbeitsbelastung der Beschäftigten zu verringern und um eine qualitätsvolle Gesundheitsversorgung aufrecht erhalten zu können. Darüber hinaus müssen die Beschäftigten durch ausreichende Schutzmaßnahmen und Schutzausrüstungen vor einer Infizierung durch Erkrankte bewahrt werden. In mehreren EU-Staaten wird außerdem deutlich, dass Teilprivatisierungen im Gesundheitssektor gerade jetzt zu Problemen bei der Koordinierung führen und für die Aufrechterhaltung hoher Standards nicht förderlich sind.

Telearbeit: Infrastrukturkosten sollen durch Unternehmen abgegolten werden

Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen in ganz Europa rufen zahlreiche Regierungen die ArbeitgeberInnen dazu auf, möglichst viele ihrer Beschäftigten in Telearbeit zu schicken. Die spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO Servicios beispielsweise fordern daher, ein Maximum an Telearbeit für die Beschäftigten zu ermöglichen. Internet, Arbeitsgeräte, Strom, Wasser, sowie die Nutzung der dazu benötigten Wohnfläche soll im Zuge dessen von den Unternehmen bezahlt werden. In Frankreich können ArbeitgeberInnen den Beschäftigten aktuell ohne deren Zustimmung Telework auferlegen. In Serbien hingegen haben die Beschäftigten ein Recht auf Telearbeit, insbesondere für Personen mit Betreuungspflichten und Hochrisikogruppen, bei vollem Gehaltsbezug.

Kurzarbeit: Unterschiedliche Modelle in den EU-Staaten

Zahlreiche EU-Staaten haben ähnlich dem österreichischen Kurzarbeitsmodell, Unterstützungsmaßnahmen für Beschäftigte und Unternehmen auf den Weg gebracht. Die Ausgestaltung dieser Modelle ist jedoch höchst unterschiedlich. Festzuhalten ist, dass die österreichische Nettoersatzraten für Beschäftigte von 80-90% (für Bruttoentgelte bis 5370 Euro) jedenfalls im europäischen Spitzenfeld liegen. In Deutschland liegt die Nettoersatzrate bei Kurzarbeitergeld beispielsweise nur bei 60% (mit Kind bei 67%). Lediglich in den Niederlanden und Schweden wird der Lohn weiterhin voll bzw. annähernd voll weiterbezahlt.