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Margrete Vestager: Wettbewerbsfähigkeit und digitaler Wandel

Hearing der designierten Kommissarin im Europäischen Parlament

Die liberale Dänin Margrete Vestager, designierte Kommissarin für Wettbewerb sowie Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für den Bereich „Europa fit für das digitale Zeitalter“, stellte am 9. Oktober dem Europäischen Parlament die Schwerpunkte ihres Programmes vor. Dabei musste sie sich auch den Fragen der ParlamentarierInnen aus den Ausschüssen Binnenmarkt, Industrie- und Wirtschaftspolitik stellen.

Frage der Vereinbarkeit

Kritisch hinterfragten einige Abgeordnete dabei die Vereinbarkeit ihrer beiden Portfolios: Wettbewerb und die digitalen Agenden. Diese Kombination ist heikel, weil Vestager einerseits für gleiche Rahmenbedingungen am Europäischen Binnenmarkt verantwortlich ist, andererseits jedoch vor allem den Fokus auf digitale Unternehmen legen muss. Die Dänin konterte diesen Vorwürfen mit der gemeinsamen Absegnung der Entscheidungen durch das Kollegium der EU-KommissarInnen sowie mit der Kontrolle durch den juristischen Dienst der Kommission.

Wettbewerbsfähigkeit durch gleiche Rahmenbedingungen

Der europäische Binnenmarkt soll an neue Gegebenheiten wie digitale Dienstleistungen oder digitalen Handel angepasst werden. Vestager sieht vor allem aufgrund der marktbeherrschenden Stellung von Online-Plattformen Handlungsbedarf im Wettbewerbsrecht.

Im Zuge eines „Digital Service Act“ in Form einer Richtlinie soll diesem Ungleichgewicht begegnet werden. Wie dieses legislative Instrument jedoch im Details aussehen soll und welche konkreten Bereiche davon umfasst sein werden, legte sie nicht dar.

Darüber hinaus muss laut Vestager Wettbewerbsgleichheit zwischen Unternehmen aus der EU und solchen aus Drittstaaten hergestellt werden, indem sie die gleichen Rahmenbedingungen am europäischen Binnenmarkt vorfinden. Dazu sollen bestehende Fusions- und Kartellgesetze, die den Zusammenschluss von Unternehmen regeln, überarbeitet werden. Marktbeherrschenden Unternehmen (Google, Amazon,…), die in mehreren Geschäftsfeldern tätig sind, soll in letzter Konsequenz auch Zerschlagung drohen.

Wettbewerbsgleichheit herzustellen, um den Monopolisierungstendenzen großer Konzerne entgegenzuwirken ist zwar begrüßenswert, Vestager verliert in ihren Ausführungen jedoch kein Wort darüber, dass es für einen tatsächlich „fairen“ Wettbewerb vor allem starke und durchsetzbare Rechte sowie Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Beschäftigten in ganz Europa braucht. Betriebsräte und Gewerkschaften müssen bei kartellrechtlichen Verfahren beteiligt werden.

European Champions gegen Konkurrenz aus Drittstaaten

Der europäische Binnenmarkt soll stärker vor externen Mitbewerbern aus Drittstaaten geschützt werden. Bei Firmenfusionen und Übernahmen ist es in der Vergangenheit mehrfach zu Benachteiligungen europäischer Unternehmen im Vergleich zu jenen aus Drittstaaten gekommen. Um dies künftig zu vermeiden, sollen neben den geplanten Änderungen im Fusions- und Kartellrecht sogenannte „European Champions“ entstehen. Damit sind multinationale europäische Großkonzerne gemeint, die beispielsweise mit der amerikanischen oder chinesischen Konkurrenz mithalten können. Aus gewerkschaftlicher Sicht stellt sich hier jedoch vor allem die Frage, wie dies mit der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb des europäischen Binnenmarktes einhergehen soll und welche Auswirkungen es auf die KonsumentInnen haben könnte.

Arbeitsbedingungen in der digitalen Welt

Die designierte Kommissarin gestand ein, dass PlattformarbeiterInnen oft schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind und es, um dies künftig zu vermeiden, klare Regelungen brauche. Vestager spricht sich dazu jedoch in erster Linie für Lösungen im nationalen Arbeitsrecht aus. Diese sollen durch eine europäische Richtlinie („Digital Service Act“) lediglich umrahmt werden. Aufgrund der enormen Unterschiede im nationalen Arbeitsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten ist dies besonders kritisch zu sehen, denn es könnte letztlich zu einer schwachen europäischen Mindestregelung kommen, die für Beschäftigte in jenen Ländern mit geringen nationalen Schutzmechanismen kaum Verbesserungen mit sich bringt.

Die designierte Kommissarin will in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Vorschlag zur Entwicklung künstlicher Intelligenz vorlegen und verwies mehrfach auf die Vorteile dieser Technologie in der Arbeitswelt. Vestager erwähnte jedoch nicht, dass vor allem arbeits- und sozialpolitische Parameter hierbei oft vernachlässigt werden und darauf besonderes Augenmerk gelegt werden muss.

Besteuerung digitaler Konzerne umsetzen

Digitale Unternehmen sollen ihre Abgaben künftig entsprechend den Besteuerungsvorschriften internationaler Vereinbarungen abliefern. Sollte es auf Ebene der OECD- bzw. der G20 Staaten bis 2020 dazu keine Einigung geben, soll die EU eigene Regeln dazu festlegen.

Positiv hervorzuheben ist, dass Vestager Mindeststeuersätze sowie eine gemeinsame Bemessungsgrundalge für die Einführung einer Digitalsteuer vorschlägt. Um dies zu ermöglichen ist für sie die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips bei Steuerfragen im Rat vorstellbar.

„Grüne und faire Industriestrategie“ steckt noch in Kinderschuhen

Vestager sprach sich für die Erarbeitung einer Strategie zur industriellen Zukunft Europas aus und ergänzte dabei das Vorhaben, bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen in Bezug auf Forschung und Entwicklung vorlegen zu wollen. Sie konnte dazu jedoch weder erörtern, wie diese Industriestrategie im Detail aussehen solle, noch, wie man effektivere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen schaffen könnte.