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USA: Die Doppelmoral europäischer Großkonzerne

Unternehmen beschneiden fundamentale Arbeitsrechte im Süden der USA

Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) sowie der mitgliederstärkste Gewerkschaftsdachverband der USA und Kanadas (AFL-CIO) haben gemeinsam eine Studie erarbeitet. Der Titel lautet „The double standard at work: European Corporate Investment and worker’s rights in the American South“, was übersetzt in etwa bedeutet „Die Doppelmoral in der Arbeitswelt: Europäische Unternehmensinvestitionen und die Rechte der ArbeitnehmerInnen im Süden der USA“. Die Studie zeigt anhand dokumentierter Fallbeispiele auf, wie einige europäische Großkonzerne im Süden der USA fundamentale Gewerkschafts- und Menschenrechte unterwandern und welche Auswirkungen das für die Beschäftigten in den USA, aber auch in Europa hat.

Europäische Großkonzerne zeigen ihre zwei Gesichter

Zahlreiche multinationale Unternehmen mit Hauptsitz in Europa haben ihre Investitionen im Süden der USA in den letzten 25 Jahren stark erhöht. Dabei kommt vor allem deren Doppelmoral negativ zum Vorschein, denn einige beschneiden die Rechte amerikanischer Beschäftigter und gehen gegen jegliche Form gewerkschaftlicher Organisierung vor. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, weil diese Unternehmen am europäischen Markt durchaus gewerkschaftsfreundlich agieren und sich an internationale Rahmenabkommen halten. Im Süden der USA jedoch zeigen sie ein gänzlich anderes Gesicht und untergraben fundamentale Menschen- und Gewerkschaftsrechte.

USA: kaum Schutzmechanismen für Beschäftigte

Die vergleichsweise gut abgesicherte Position der Beschäftigten und von Gewerkschaften in Europa hindert Großkonzerne daran, gewerkschaftsfeindliche Praktiken hierzulande im großen Stil anzuwenden. Die wenig ausgeprägten rechtlichen Schutzmechanismen für Beschäftigte, der kaum vorhandene soziale Dialog, fehlende kollektivvertragliche Vereinbarungen sowie relativ niedrige gewerkschaftliche Organisationsraten sind attraktive Rahmenbedingungen für europäische Großkonzerne, um Unternehmensteile in den Süden der USA auszulagern. Diese Unternehmen verstoßen nicht nur gegen Menschenrechte und international anerkannte Arbeitsnormen, sondern auch gegen die Sorgfaltspflicht.

Gerechtfertigt werden diese Methoden mit dem Verweis auf das örtliche Management, dass durch das US-amerikanische Arbeitsrecht die Möglichkeit hat, mit aller Härte gegen betriebliche Gewerkschaftsgründungen vorzugehen. Und selbst wenn festgestellt wird, dass Arbeitgeber gegen Gesetze verstoßen haben, führen Verfahrensverzögerungen und schwache Rechtsmittel oft dennoch zum gewünschten Erfolg auf Seiten des Unternehmens.

„American way of work“ auch in Europa?

Mit diesen Praktiken verhindern die europäischen Konzerne jedoch nicht nur die Gründung von Belegschaftsvertretungen, sie tragen auch dazu bei, den Süden der USA, wo die ökonomische, soziale und politische Situation der Menschen eine vergleichsweise prekäre ist, zu verfestigen.

Dies hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Situation der Menschen dort, sondern bringt auch den europäischen Standort unter Druck. Denn die regionalen Regierungen in den südlichen US-Bundesstaaten werben offensiv mit „Gewerkschaftsfreiheit“, niedrigen Löhnen und geringen Steueraufkommen für ihren Standort. Das kann dazu führen, dass multinationale europäische Unternehmen sich künftig vermehrt dort ansiedeln und Arbeitsplätze in Europa abbauen. Darüber hinaus weckt es die Versuchung, auch in Europa „amerikanische Verhältnisse“ einzufordern, was zu einem sukzessiven Abbau von arbeitsrechtlichen Standards führen könnte.

Freihandelsabkommen als trojanisches Pferd

Niedrige Standards und geringe Schutzmechanismen für Beschäftigte könnten auch über den Weg von Freihandelsabkommen verstärkt Einzug in Europa halten. Denn die USA werden versuchen ihren liberalen Ansatz im Süden der USA mit Nachdruck in diese Abkommen hinein zu verhandeln und die hohen Standards in Europa dadurch in Gefahr bringen. Auch europäische Unternehmen werden, bestärkt durch gesteigerte Profitraten in den USA, versuchen, das Modell des amerikanischen Südens auch auf europäischer Verhandlungsseite einzufordern.

Gesetz zur Sorgfaltspflicht auf europäischer Ebene

Die EU sollte durch ein Gesetz zur Sorgfaltspflicht europäische Unternehmen verpflichten, sicherzustellen, dass ihre Aktivitäten innerhalb und außerhalb des europäischen Binnenmarktes fundamentale Menschen- und Gewerkschaftsrechte respektieren. Dies muss für alle Tochter- und Subunternehmen gleichermaßen gelten.

Frankreich hat diesbezüglich bereits ein Gesetz verabschiedet, in dem Regelungen zur Sorgfaltspflicht vorgesehen sind. Diese Richtung gilt es nun auch auf europäischer Ebene einzuschlagen. Menschenrechte, die Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft sowie kollektive Verhandlungen über Löhne und Arbeitsbedingungen müssen von den Unternehmen überall auf der Welt respektiert werden.

HIER geht’s zur Studie.