DAVID MUM ist Ökonom und Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA. Er ist auch Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft GPA.
DAVID MUM ist Ökonom und Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA. Er ist auch Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft GPA.
Im Zuge der Corona-Krise und des wirtschaftlichen Schocks aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurden die EU-Schuldenregeln bis 2023 ausgesetzt. Seither steigt die öffentliche Verschuldung. Dadurch ist aber sichergestellt, dass die Staaten Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene und Unternehmen finanzieren können. Viele ExpertInnen und VerantwortungsträgerInnen in Europa erkennen einstweilen, dass die alten und starren Schuldenregeln aus den frühen 1990er Jahren mittlerweile kontraproduktiv sind. Wie diese reformiert werden können, wird im Folgenden erläutert.
Seitens der österreichischen Finanzminister wurde bislang darauf gedrängt, die bis 2023 ausgesetzten starren EU-Schuldenregeln wieder möglichst streng in Kraft setzen. Diese wurden im Zuge der Corona-Pandemie und des wirtschaftlichen Schocks aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vorübergehend außer Kraft gesetzt, damit die Staaten Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene und Unternehmen finanzieren können. Die Maßnahmen haben die öffentliche Verschuldung in die Höhe getrieben. Es haben in Europa nun viele ExpertInnen und VerantwortungsträgerInnen erkannt, dass die alten und starren Schuldenregeln aus den frühen 1990er Jahren mittlerweile kontraproduktiv sind. Die Finanz- und Wirtschaftskrise und die Corona-Krise haben die öffentlichen Schulden nach oben getrieben. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe und soziale Verwerfungen brauchen aber mehr öffentliche Investitionen und einen aktiven Sozialstaat.
Fixes Festhalten an den alten Schuldenregeln würde jahrelange Belastungspakete und wirtschaftliche Stagnation bedeuten. Denselben Fehler haben die EU-Mitgliedsstaaten schon nach der Finanzkrise gemacht. Rasch wurde in einen Sparmodus gewechselt. Dessen Folge war, dass sich die Arbeitslosigkeit verfestigt hat und Europa wirtschaftlich etwa gegenüber den USA zurückgefallen ist. Die USA hingegen haben den Aufschwung nach der Finanzkrise nicht wieder mit Sparprogrammen abgewürgt. Man sollte also aus den Fehlern vor 10 Jahren lernen und es nun besser machen.
Die Schuldenregeln in der EU sehen Grenzen sowohl für die Neuverschuldung als auch den Schuldenstand vor. Die Regeln wurden in den 1990er Jahren vor Einführung der Währungsunion beschlossen und nach der Finanzkrise Anfang der 2010er Jahre noch einmal verschärft. Neoliberale Politik setzt immer darauf, den Staat mit starren Regeln in seinen Handlungsmöglichkeiten einzuschränken. Ganz in dieses Muster fallen sogenannte Schuldenbremsen, die die öffentliche Neuverschuldung begrenzen sollen.
Es war ein Riesenfehler (vor der Finanzkrise 2008), dass die EU-Wirtschaftspolitik nur auf niedrige Inflation und Begrenzung der Staatsschulden (Maastricht-Kriterien) ausgerichtet war. Dem lag die falsche Vorstellung zugrunde, dass eine niedrige Inflation und niedrige Staatsdefizite eine stabile Wirtschaft garantieren und das Zusammenhalten der Währungsunion garantieren.
Die Finanzkrise 2008 zeigte, dass dies völlig falsch ist. Die Staatschuldenquoten sind vor der Finanzkrise gesunken, die Krise ist dennoch eingetreten. Und: die Finanzkrise war kein zufälliges Ereignis, sondern hatte ihre Ursachen.
Das Problem an der Fokussierung auf öffentliche Schulden bestand darin, dass wesentliche andere Entwicklungen, die für das Zuammenhalten der Währungsunion zentral sind, viel zu wenig Augenmerk bekamen. Das betraf etwa:
Der enge Blick auf öffentliche Schulden ignorierte kreditfinanzierte Spekulationsexzesse auf den Finanzmärkten, die sich in der weltweiten Finanzkrise 2008 entladen haben.
Das jährliche Defizit (Neuverschuldung) darf max. 3 % des BIP betragen, die gesamte Schuldenquote max. 60 % des BIP. Als „Mittelfristziel“ soll das „strukturelle Budget-Defizit“ (die um den Effekt von Konjunkturschwankungen bereinigte Neuverschuldung des Staates), i. d. R. max. 0,5 % des BIP betragen.
Das jährliche Defizit kann man rascher beeinflussen als den gesamten Schuldenstand. Doch auch für den Schuldenstand gibt es eine „Abbauregel“:
Liegt die gesamte Staatsverschuldung über 60% des BIP, so muss der überschüssige Anteil um mind. 1/20 pro Jahr abgebaut werden.
In Österreich stieg in Folge der Corona-Krise die Schuldenquote von 70,6% 2019 auf 83,3% 2020 und 82,8% 2021. Wenn man davon 1/20 pro Jahr abbaut, sind das jährlich 4 bis 5 Mrd an Sparpaketen.
Wenn diese Regeln nicht geändert werden, können sie einen hohen gesellschaftlichen Schaden anrichten.
Die Schuldengrenzen wurden wegen der Corona-Krise, die einen einzigartigen Anstieg der Staatsschulden bewirkte, vorläufig außer Kraft gesetzt. Jetzt stellt sich die Frage, ob die ausgesetzten Regeln unverändert wieder in Kraft gesetzt, oder nach 30 Jahren überarbeitet werden sollen.
Die Wiedereinführung der unveränderten Schuldengrenzen würde enormen gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. Denn das würde jahrelange Belastungspakete und Austerität (Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen) bedeuten.
Im Zuge der Rettungsmaßnahmen von Unternehmen in der Corona-Krise wurden private Unternehmen mit öffentlichen Mitteln „über Wasser gehalten“. In riesigem Umfang wurden Kosten vom privaten Bereich in den öffentlichen Bereich verlagert. Die öffentlichen Schulden sind enorm gestiegen, weil der Staat Unternehmen einerseits Einnahmenausfälle ersetzt hat und andererseits auch einen Teil ihrer Ausgaben übernommen hat. Die öffentlichen Schulden dienten sozusagen als Versicherung des Privatsektors gegenüber den Corona-Schäden. Wie schon in Folge der Finanzkrise 2008 stieg die Schuldenquote, weil der Staat Unternehmen in der Krise rettete.
Die Perspektive kann daher nicht sein, über jahrelange Sparpakete die Schulden abzubauen, die der Staat den Unternehmen abgenommen hat. Nicht eine Senkung der Schulden, sondern mehr Beschäftigung und Zukunftsinvestitionen sind nötig. Jetzt müssen die Weichen für eine verteilungsgerechte Finanzierung der Maßnahmen gestellt werden.
Die Gewerkschaft GPA forderte daher am Bundesforum 2021: „Untaugliche Konzepte wie Schuldenbremsen müssen dauerhaft gestrichen werden.“
Durch die Hilfspakete stieg das Defizit 2020 und 2021 um 50 Mrd. EUR. Dabei wurden Unternehmen so stark gefördert, dass trotz Wirtschaftseinbruchs die Betriebsüberschüsse und Selbständigeneinkommen kaum zurückgegangen sind. Trotz dieser Überförderung wurde nun in der Steuerreform der Regierung beschlossen, die Besteuerung der Gewinne zu senken. Das ist das glatte Gegenteil dessen was z. B. der Internationale Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen hat. Dieser hat empfohlen, die Besteuerung von Überschussgewinnen zu erhöhen.
Sind die dramatisch gestiegenen Schulden nun ein Problem, das die Republik in den kommenden Jahren handlungsunfähig macht? Nein, das ist glücklicherweise nicht der Fall, denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat die in der Corona-Krise neu emittierten Schulden im Zuge der Anleiheaufkaufprogramme nahezu vollständig aufgekauft.[1] Wir sind daher nicht bei Hedgefonds oder anderen Finanzinvestoren verschuldet, sondern bei der Zentralbank. Diese Tatsache stabilisiert die Staaten enorm. Wären wir bei privaten Investoren verschuldet, bestünde ein Risiko, dass diese nur bereit wären, gegen sehr hohe Zinsen Geld zu verborgen. Dieses Szenario war in der Eurokrise 2011/2012 gegeben. Nun hat aber die EZB diese Schulden auf den Finanzmärkten aufgekauft und das Zinsniveau unter Kontrolle gebracht. Das kann die EZB deswegen, weil sie als Zentralbank das Geld schaffen kann, mit dem sie auf den Anleihenmärkten interveniert. Es besteht daher kein Risiko, dass sich die Staaten nicht mehr auf den Finanzmärkten finanzieren können und immer höhere Zinsen für neue Schulden zahlen.
Da die neuen Schulden [in der Eurozone] bei der Europäischen Zentralbank in den Büchern stehen, besteht keinerlei Druck, diese rasch zurückzuführen. Wir schulden uns die neuen Schulden daher selbst. Es ist niemandem geholfen, wenn man durch Sparpakete Schulden möglichst schnell wieder an die EZB zurückzahlt.
Daher macht es schlicht ökonomisch keinen Sinn, wieder rasch die alten Schuldengrenze in Kraft zu setzen. Auch in Japan ist der Staat vor allem bei inländischen Akteuren bzw. der Bank of Japan verschuldet und daher gehen von der sehr hohen Schuldenquote von über 250% des BIP bislang keine destabilisierenden Effekte aus.
Die Schuldenquote im Euroraum liegt 2021 bei 100% des BIP. Würde man nun wirklich 1/20 des Werts über 60% des BIP abbauen, würde das jährlich ein Sparpaket von über 2% des BIP bedeuten.[2] Für Österreich würde das ein jährliches Belastungspaket von ca. 5 Mrd. EUR bedeuten.
In der Eurozone liegt das BIP 2021 bei 14.492,2 Mrd. EUR.[3] Die Schuldenquote beträgt 2021 97,4%. Würde man ein Zwanzigstel des Betrages über 60% abbauen, wären das ca 2% des BIP bzw. ein Sparpaket (=Kaufkraftentzug) von 289,8 Mrd. EUR allein im Jahr 2021 und in vergleichbaren Größenordnungen in den Folgejahren. Eine derartige Politik ist nicht wirtschaftlich verantwortungsvoll, sondern dogmatisch-ignorant. Jahrelange Austerität dämpft auch die Wirtschaftsleistung, sodass man die Schuldenquote schwer reduzieren kann. Das erkennt man deutlich an der Entwicklung der Staatsschuldenquote in der Eurozone. Diese stieg in Folge der Finanzkrise auch während der Jahre der Sparpolitik und sank gegen Ende der 2010er Jahre als sich die Wirtschaft wieder belebte.
[1] 2020 hat die EZB 95% der Neuverschuldung aufgekauft https://www.omfif.org/2021/05/ecb-asset-purchases-dilute-european-rule-of-law
[2] BMF Fiskalrat Dez.2021:„Bericht über die Öffentlichen Finanzen“, S. 100
[3] https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.CD?locations=XC, 14.7.2022
Die Begrenzung der Schulden mit 60% ist ein Wert, auf den man sich in den 1990er Jahren politisch geeinigt hat, der aber keine plausible ökonomische Fundierung hat. Belgien und Italien hatten damals schon Werte über 100%, insofern war die Einhaltung dieser Grenze unrealistisch. Es war eine Größenordnung, die damals in einige Mitgliedstaaten erfüllt gewesen ist und an der man sich damals orientierte, um ein Signal zu senden, dass sie nicht weiter steigen soll. Es hat keinen Sinn, an dieser Größe 3 Jahrzehnte später festzuhalten.
Die Finanzsituation des Staates ist von der wirtschaftlichen Entwicklung und Lage abhängig. In einem Abschwung ist ein Defizit normal, weil Staatsausgaben steigen (Arbeitslosigkeit) und Steuereinnahmen zurückgehen und sich schwächer entwickeln. Daher muss man die Finanzlage immer in Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung beurteilen. Über den Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichene Budgetsalden werden als vereinbar mit einer nachhaltigen Budgetpolitik gesehen. Aber auch das ist zu wenig an Flexibilität und Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Logik.
Neben der Relation von Einnahmen und Ausgaben muss berücksichtigt werden, wofür Ausgaben eingesetzt werden. Gemäß der goldenen Regel sind Investitionen aus den Schulden- und Defizitregelungen auszunehmen. Finanziert man mit den Schulden Investitionen, von denen viele Generationen profitieren, dann ist das generationsgerecht und sinnvoll. Wer etwa öffentliche Investitionen in moderne Krankenhäuser und bezahlbaren Wohnbau oder schnellere Eisenbahnverbindungen und Klimaschutz tätigt, hinterlässt künftigen Generationen Einrichtungen, die zu einer lebenswerten Gesellschaft beitragen.[1]
Wer hingegen bei Investitionen spart, schadet künftigen Generationen. Denn diese leiden unter einer heruntergekommenen Infrastruktur und dem Investitionsstau. Liegt der gesellschaftliche Nutzen über den Finanzierungskosten, sollten diese finanziert werden. Der Staat Österreich kann sich derzeit so günstig finanzieren wie noch nie. Öffentliche Investitionen schaffen Werte, die Bestand haben. Wenn man diese schuldenbasiert finanziert, steigen nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch öffentliche Vermögen.
Die Defizitregeln unterscheiden aber nicht, ob ein Defizit eingegangen wurde, um die laufenden Ausgaben zu decken oder um langlebige Investitionen zu finanzieren. Das ist nicht sachgerecht und nicht sinnvoll. Werden laufende Ausgaben finanziert, steht den Defiziten kein Aktivposten des Staates gegenüber. Ganz anders bei der Finanzierung von Investitionen: Der Finanzschuld steht ein Sachvermögen gegenüber
(z. B. Verkehrswege, Gebäude, …).
Die Gewerkschaft GPA forderte daher am Bundesforum 2021: „Goldene Investitionsregel – Investitionen, insbesondere beim Klima- und Umweltschutz, sind dauerhaft aus den europäischen Defizit- und Schuldenregelungen auszunehmen.“
[1] Daher fordert die europäische BürgerInneninitiative „housing for all“: Keine Berücksichtigung öffentlicher Investitionen in bezahlbaren Wohnbau im Rahmen der Defizitkriterien von Maastricht
Die Analyse von öffentlichen Schulden muss gesamthaft die Finanzierungssalden aller volkswirtschaftlichen Sektoren betrachten. Denn Defizite einzelner Sektoren stehen zwangsläufig den Überschüssen anderer Sektoren gegenüber. Das kann auch streng formallogisch gar nicht anders sein. Meist untergliedert man die Wirtschaft in die Sektoren Unternehmen, private Haushalte, Staat, Finanzsektor und Ausland. Die Einnahmen eines Sektors sind die Ausgaben eines anders Sektors. So sind Personalausgaben der Unternehmen die Lohneinkommen der privaten Haushalte und Konsumausgaben der privaten Haushalte sind Einnahmen der Unternehmen oder bei Importen des Auslands. Da die Summe der Einnahmen der Summe der Ausgaben entspricht, müssen Einnahmeüberschüsse eines Sektors Ausgabenüberschüsse also Defizite eines anderen Sektors entsprechen. Dem Sparen von privaten Haushalten (Einnahmeüberschuss) stehen daher Defizite eines anderen Sektors, meist der Unternehmen oder des Staates, gegenüber. Private Haushalte können gar nicht sparen, ohne dass sich gleichzeitig jemand verschuldet. Eine Sichtweise, die einerseits Sparen ermutigt, aber Verschuldung ablehnt, ist daher völlig inkonsistent, denn das eine gibt es nicht ohne das andere.
Die Grafik weiter unten zeigt die Finanzierungssalden der österreichischen Wirtschaft. Die privaten Haushalte haben einen Einnahmenüberschuss, der dem Defizit des Staates gegenübersteht. Die Unternehmen schwanken seit 20 Jahren um eine ausgeglichene Position. Die österreichische Volkswirtschaft hat seit Einführung der Währungsunion gegenüber dem Ausland einen Einnahmenüberschuss. Im Jahr 2020 rutschte der Staat durch die Hilfspakete in einen sehr starken Ausgabenüberschuss, der sich in gestiegenen Einnahmeüberschüssen sowohl der privaten Haushalte als auch der privaten Unternehmen widerspiegelt. Der Staat hat daher durch sein Defizit die privaten Sektoren „über Wasser“ gehalten.
Öffentlichen Defiziten stehen Einnahmenüberschüsse anderer Sektoren gegenüber. Die öffentlichen Defizite abzubauen kann daher nur gelingen, wenn z. B. die Finanzierungsüberschüsse der privaten Haushalte oder Unternehmen reduziert werden. Das kann und wird auf Kosten des Wirtschaftswachstums, das die Regierung anstrebt, gehen.
Es gibt verschiedene, verteilungspolitisch völlig unterschiedliche Wege ein öffentliches Defizit bzw. einen privaten Überschuss abzubauen:
Es ist also völlig verengt, die öffentliche Finanzierungsposition ohne die Salden der anderen volkswirtschaftlichen Sektoren zu betrachten.
Auch das Festhalten an starren Verschuldungsregeln ist im Zusammenhang mit anderen Zielen zu beurteilen. Wenn man starre Schuldenregeln mit dem Ziel, die Abgabenquote zu reduzieren und Vermögenssteuern abzulehnen, kombiniert, bedeutet das ganz klar: Schuldenabbau durch Sozialabbau. Wenn man das noch mit Senkungen der Gewinnbesteuerung und der Abschaffung der Kursgewinnbesteuerung bei Aktien kombiniert, bedeutet das: Steuergeschenke für die Reichen und Sozialabbau für die Mehrheit der Bevölkerung. Mit der Zielsetzung der Reduktion der Armut oder eines nachhaltigen Wachstums ist das jedenfalls nicht kompatibel.
Das Festhalten an 30 Jahre alten und starren Regeln zeugt jedenfalls nicht von wirtschaftspolitischer Kompetenz, weil dabei die Entwicklungen, die seither stattgefunden haben, ignoriert werden.
Regeln aus den frühen 1990er Jahren weiterzuführen, bedeutet zu behaupten, dass man damals gewusst hat, was heute und in Zukunft richtig und wichtig ist. Das ist abwegig, weil mit der Finanzkrise, der Corona-Pandemie und der Notwendigkeit, rasch und entschieden die Klimakatastrophe abzuwenden, neue Herausforderungen hinzukamen, die auch neue und praxistaugliche Regeln erfordern.
Da für eine Änderung der Kriterien für die Verschuldung die EU-Verträge geändert werden müssen, ist das eine kurzfristig unrealistische Option. Daher wäre eine flexible Auslegung der Kriterien, die in einer differenzierten Betrachtung auf die jeweilige Situation der Mitgliedsstaaten Rücksicht nimmt, eine praktikable und pragmatische Lösung. Dementsprechend können jeweils eigene Ziele pro Land gegeben werden, die auch haushaltspolitische Spielräume lassen.