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Gewerkschaft GPA Tirol ortet mehr Pflegebedarf speziell für Demenzerkrankte

Prognostizierte Verdoppelung bis zum Jahr 2050

„Die Arbeit mit Demenzerkrankten ist besonders betreuungsintensiv. Sie benötigen ganz besondere Hilfestellungen, man muss äußerst umsichtig und einfühlsam agieren. Die Bedürfnisse der Erkrankten sind sehr individuell, was die Betreuung für uns zu einer großen Herausforderung macht“, schildert Margit Luxner, Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Gesundheit und Soziales in der Gewerkschaft GPA Tirol und selbst Betriebsratsvorsitzende im Altenwohnheim Kitzbühel. Die Abkehr vom Bekannten ist für Demenzerkrankte oft eine immense Herausforderung. „Vor allem die ersten Monate, wenn Erkrankte ins Pflegeheim umziehen, sind meist sehr schwierig. Gleichzeitig könnte hier viel abgefangen werden, wenn Demenzerkrankte mehr Beschäftigungsmöglichkeiten hätten – beispielsweise gemeinsame Spiele, Spaziergänge oder ähnliches. Diese Zeit haben wir Pfleger:innen allerdings schlichtweg nicht. Auch dafür bräuchte es zusätzliches Personal.“

Das Risiko, an Demenz zu erkranken, nimmt mit dem Alter zu. So liegt bei den über 90jährigen die Häufigkeit bei knapp 41 Prozent. Die Vereinigung Alzheimer Europe geht aufgrund der steigenden Alterserwartung der Bevölkerung davon aus, dass 2050 in Österreich rund 3 Prozent der Bevölkerung an Demenz erkrankt sein werden, in Zahlen bedeutet das circa 290.499 und fast eine Verdoppelung. Somit wird auch der Betreuung- und Pflegebedarf deutlich steigen.

„Die Weichen müssen bereits jetzt gestellt werden, damit wir den Pflegebedarf speziell für an Demenz Erkrankte decken können. Das heißt einerseits, dass bereits in der Ausbildung mehr Fokus auf diese spezielle Fürsorge gelegt werden muss, andererseits wird man sich endlich dem Problem des aktuellen Personalmangels in der Pflege stellen müssen“, so Luxner. Das bedeute auch, die Arbeitsbedingungen für die Pflegebeschäftigten endlich weitreichend zu verbessern, um der hohen Drop-Out-Rate im Pflegebereich entgegenzutreten. „Unsere Erholungsphasen müssen endlich länger und planbarer werden. Ein freier Tag nützt den Beschäftigten wenig, wenn sie ständig fürchten müssen, dass sie aufgrund des Mitarbeiter:innenmangels einspringen müssen. Da brauchen wir endlich Sicherheit und Planbarkeit. Dazu kommen die zahlreichen Mehr- und Überstunden, die wir regelmäßig leisten. Die Freizeitphasen sind einfach zu kurz, um sich vom anstrengenden Arbeitsalltag erholen zu können. An einer Arbeitszeitverkürzung führt darum kein Weg vorbei!“

Auch für Sonja Föger-Kalchschmied, Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Tirol, sind zahlreiche Verbesserungen notwendig. Eine erhebliche Verbesserung für die Beschäftigten im Pflegebereich wäre unter anderem die leichtere Erreichbarkeit der Schwerarbeiterpension. „Unregelmäßige Dienste zu Tag- und Nachtzeiten, das ständige Heben von betreuungsbedürftigen Personen und nicht zuletzt die enorme psychische Belastung bringen die Mitarbeiter:innen regelmäßig an unsere Grenzen. Es wäre nur fair, wenn unsere extremst belastende Tätigkeit endlich umfassend als Schwerarbeit anerkannt werden würde!“, so Föger-Kalchschmied. Diese Situation betreffe den gesamten Gesundheits-, Pflege- und Behindertenbereich.

Föger-Kalchschmied unterstreicht zudem, dass sich die Beschäftigten in dieser Branche meist bewusst für eine sinnstiftende Tätigkeit entschieden haben. „Für so gut wie alle Beschäftigten in diesem Bereich ist die Tätigkeit nicht ‚nur‘ Beruf, sondern definitiv Berufung. Umso wichtiger ist es, mit guten Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen Perspektiven zu schaffen. Die Einstufung als Schwerarbeit und die daraus resultierende Möglichkeit, mit 60 Jahren in Pension zu gehen, wäre ein wichtiger Anreiz, im Beruf zu bleiben bzw. ihn zu wählen. Wir alle brauchen gute Bedingungen – jene, die gepflegt werden wie auch diejenigen, die die Arbeit machen.“

Weitsicht von Politik gefordert

Ralf Wiestner, stv. Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Tirol, nimmt einmal mehr die Politik in die Verantwortung. „Einmal mehr stehen wir einer Situation gegenüber, dass die Politik zwar um die vorherrschenden Probleme weiß, aber zu wenig dagegen unternimmt. Die Zeit drängt. Die Beschäftigten sind längst von der Belastung in die Überlastung gekommen. Wir müssen uns jetzt für die Zukunft rüsten und nachhaltig denken, anstatt mit kurzfristigen Lösungen halbherzig die Lücken zu füllen!“