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Ungleichbehandlung bei Pflege-Bonus führt zu „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ im Behinderten- und Pflegebereich

Gewerkschaft GPA

Vollmundige Ankündigungen des Bundes, verspätete oder teils nicht erfolgte Auszahlungen, nicht nachvollziehbare Modalitäten für die Anspruchsberechtigung – der sogenannte „Pflegebonus“ sorgt seit Beginn für starken Unmut. Vor allem für die Beschäftigten in der Behindertenarbeit birgt die aktuelle Situation enormes Konfliktpotential in sich. Im Rahmen eines Pressegesprächs machten heute Betriebsratsvorsitzende aus dem Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich gemeinsam mit der Gewerkschaft GPA Tirol darauf aufmerksam und forderten dringende Nachbesserungen. Zudem wurden weitere Schritte in Aussicht gestellt.

„Gut gemeint aber schlecht gemacht: Diese Richtlinie für die Auszahlung des Pflegebonus vom Bund stößt vor allem im Bereich der Behindertenarbeit zahlreiche Beschäftigte vor den Kopf“, zeigt Sonja Föger-Kalchschmied, Betriebsratsvorsitzende der Lebenshilfe Tirol auf. Sie erklärt die Hintergründe: „Der Anspruch auf den Bonus richtet sich nach der jeweiligen Ausbildung der Beschäftigten anstatt nach der ausgeübten Tätigkeit. Das führt konkret dazu, dass Menschen, die seit Jahren die gleiche Arbeit in der gleichen Qualität ausüben, unterschiedlich behandelt werden. Rund die Hälfte der KollegInnen erhält den Bonus, die andere Hälfte nicht. Vor allem vor dem Hintergrund der so schwierigen Jahre – akuter Personalmangel, ständiges Maskentragen und vieles mehr – führt diese Ungleichbehandlung zu Konflikten, Frust und Unmut.“ Sie sieht hier klar die Bundesregierung am Zug: „Ich erwarte mir, dass die Bundesregierung das Auszahlungs-Wirrwarr endlich beendet und allen Menschen, die im Behindertenbereich tätig sind und direkten Kontakt zu KlientInnen haben, diesen Bonus auszahlt!“

Auch Margit Luxner, Wirtschaftsbereichsvorsitzende für Gesundheit/Soziales in der GPA Tirol und Betriebsratsvorsitzende des Altenwohnheims Kitzbühel, betont die Notwendigkeit, die aktuellen Regelungen anzupassen: „Die Bundesregierung beschließt immer wieder Regelungen, die in den Betrieben großen Unmut verursachen, wie zuletzt auch die Entlastungswoche ab 43 Jahren. Diese kommt aber nur im Diplombereich bis zum Pflegefachassistenten, Heimhilfen bekommen diese wichtige Entlastungsmaßnahme wiederum nicht. Auch damit verursacht man im Betrieb eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Als Betriebsrätin stehe ich ständig vor der Herausforderung, diese Ungleichbehandlung zu kompensieren und Gleichbewertung zu schaffen. Gott sei Dank haben wir eine Geschäftsführung, der eine geschlossene Belegschaft wichtig ist. Pflege ist Teamwork, die MitarbeiterInnen dürfen einfach nicht auseinanderdividiert werden!“

Krisengespräch und öffentliche Kundgebung

Ralf Wiestner, stellvertretender Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Tirol, stellt weitere Aktionen in Aussicht, sofern die politisch Verantwortlichen nicht einlenken sollten: „Wir werden mit Sicherheit nicht tatenlos zusehen, wie engagierte und fleißige MitarbeiterInnen gerade angesichts der hinter ihnen liegenden äußerst schwierigen Jahre beim Bonus durch die Finger schauen. Aus diesem Grund treffen wir uns zeitnah zum Krisengespräch, bei dem wir mit BelegschaftsvertreterInnen aus dem Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich über die weitere Vorgehensweise beraten werden. Im Raum steht in jedem Fall eine öffentliche Kundgebung, die wir organisieren werden!“

Auch Gertraud Pichler, Betriebsratsvorsitzende der Sozialen Einrichtungen der Barmherzigen Schwestern Zams BetriebsgmbH, sieht großes Konfliktpotential: „Grundsätzlich ist es gut, dass man versucht in die Branche Verbesserungen zu bringen, allerdings ist die aktuelle Regelung genauso wie die Corona-Prämie einfach praxisfremd. Im Endeffekt verursacht man mehr Schaden wie beispielsweise Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft, als dass man die Branche attraktiviert.“

„Keil zwischen den MitarbeiterInnen“

Das kann Robert Senn, Betriebsratsvorsitzender der Innsbrucker Sozialen Dienste (ISD), nur bestätigen: „Eine der grundsätzlichen Aufgaben eines Betriebsrates ist es, den ‚sozialen Frieden‘ im Betrieb zu wahren. Früher habe ich mir immer gedacht, das schupft man ja quasi mit links. Erst die Regelungen, die im Zuge der Corona-Pandemie von der Bundesregierung getroffen wurden, haben mir vor Augen geführt, wie schwierig diese Aufgabe mitunter sein kann. Schon mit dem Gesetz zur finanziellen Aufwertung der Pflege hat man extreme Unzufriedenheit und Reibungsverluste erzeugt, mit dem Bonus, den einige bekommen und andere nicht, treibt man einen weiteren Keil zwischen die MitarbeiterInnen. In der Realität überschneiden sich oft die Aufgaben, eine einfache Trennung ist nicht möglich und oft auch nicht sinnvoll – auch im Sinne der KlientInnen nicht. Wir arbeiten im Betrieb miteinander, deswegen soll auch jede und jeder den gleichen Bonus bekommen.“

Auch Markus Pichler, BR-Vorsitzender beim Diakoniewerk, kann über breiten Unmut berichten: „Ab dem Zeitpunkt, an dem die Auszahlungsmodalitäten bekannt wurden, ist mein Telefon nicht mehr stillgestanden! Der Ärger war groß: Vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beschäftigten den eklatanten Personalmangel ausgleichen und zusätzliche Tätigkeiten übernehmen müssen, hat man zahlreiche MitarbeiterInnen wirklich regelrecht vor den Kopf gestoßen. Der Personalmangel ist so eklatant, dass viele sprichwörtlich auf dem Zahnfleisch daherkommen. Umso wichtiger wäre es, dass wirklich alle den Bonus bekommen.“