Dienstverhinderung aus wichtigem Grund
Wann Arbeitnehmer:innen trotz Abwesenheit Anspruch auf Entgelt haben
Im Laufe des Berufslebens kommt fast jede:r einmal in eine Situation, in der die Arbeitspflicht mit persönlichen oder unvorhersehbaren Ereignissen kollidiert – etwa bei einem dringenden Arzttermin, einem Rohrbruch, einer Überschwemmung oder einer Schneekatastrophe. Dann stellt sich die Frage: Darf ich der Arbeit fernbleiben – und bekomme ich trotzdem mein Entgelt?
Nach § 8 Abs. 3 Angestelltengesetz (AngG) behalten Arbeitnehmer:innen ihren Entgeltanspruch,
wenn sie durch wichtige, ihre Person betreffende Gründe ohne ihr Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung ihrer Dienste verhindert sind.
Seit 1. Juli 2018 gilt diese Regelung auch zwingend für Arbeiter:innen (§ 1154b Abs. 5 ABGB).
Kollektivverträge dürfen keine schlechteren Bestimmungen vorsehen.
Wichtige Gründe können familiärer, gesundheitlicher, rechtlicher oder sachlicher Natur sein.
Beispiele sind:
- Arztbesuch oder medizinische Untersuchung, wenn kein Termin außerhalb der Arbeitszeit möglich oder zumutbar ist,
- Behördengang oder Gerichtstermin, der nur während der Arbeitszeit erledigt werden kann,
- Wetterbedingte oder technische Notfälle (z. B. Rohrbruch, Stromausfall, Überschwemmung, Schneelast auf dem Dach),
- Unvorhersehbare Verkehrsstörungen, etwa durch Unwetter oder gesperrte Verkehrswege,
- Pflichten zur Schadensabwehr oder Betreuung naher Angehöriger.
In all diesen Fällen liegt eine persönliche Dienstverhinderung ohne Verschulden vor – und somit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Können Arbeitnehmer:innen ihren Arbeitsplatz aufgrund extremer Wetterverhältnisse (z. B. Schneefall, Hochwasser, Murenabgang) nicht oder nur verspätet erreichen, behalten sie grundsätzlich ihren Entgeltanspruch.
Allerdings müssen sie jede zumutbare Möglichkeit ausschöpfen, um pünktlich an den Arbeitsplatz zu gelangen (z. B. früher losfahren, alternative Verkehrsmittel wählen). Nur unvorhersehbare oder außergewöhnliche Verkehrsstörungen gelten als Dienstverhinderung.
Müssen Arbeitnehmer:innen ihr Eigentum schützen, etwa weil das eigene Haus unter Wasser steht oder durch Schneemassen gefährdet ist, gilt dieser Schutz als höherrangiges Gut. Auch hier besteht Entgeltfortzahlung, sofern sie persönlich tätig werden müssen und niemand anderer im Haushalt die notwendigen Maßnahmen übernehmen kann.
Arbeitgeber:innen sind unverzüglich über die Dienstverhinderung zu informieren.
Kann im Betrieb selbst aufgrund der Wetterlage nicht gearbeitet werden (z. B. wegen Überflutung, Stromausfall oder Schneechaos), behalten arbeitsbereite Arbeitnehmer:innen ebenfalls ihren Entgeltanspruch.
Im Rahmen ihrer Treuepflicht können sie zu zumutbaren Aufräum- oder Sicherungsarbeiten herangezogen werden – nicht aber, wenn diese gefährlich oder gesundheitlich unzumutbar sind.
In Katastrophengebieten, in denen die Allgemeinheit betroffen ist, können abweichende behördliche Regelungen gelten.
Arzttermine sollen grundsätzlich in die Freizeit gelegt werden, wenn dies zumutbar ist.
Liegt jedoch ein dringendes gesundheitliches Problem vor oder bietet die Ordination keine Termine außerhalb der Arbeitszeit, gilt der Arztbesuch als Dienstverhinderung mit Entgeltfortzahlung.
Beispiele:
• Wer wegen akuter Zahnschmerzen sofort ärztliche Hilfe benötigt, darf den Termin während der Arbeitszeit wahrnehmen.
• Fällt der frühestmögliche Kontrolltermin eines Ambulatoriums in die Arbeitszeit, liegt ebenfalls eine gerechtfertigte Dienstverhinderung vor.
• Wenn jedoch Termine auch außerhalb der Arbeitszeit möglich sind und keine akuten Beschwerden bestehen, muss der Besuch in die Freizeit gelegt werden.
Auch Behördenwege oder dringende Reparaturen im Haushalt können Dienstverhinderungen darstellen.
Muss jemand wegen eines Rohrbruchs, einer defekten Heizung oder eines behördlich angekündigten Termins zu Hause sein, besteht grundsätzlich Entgeltanspruch, sofern niemand anderer den Termin übernehmen kann.
Es ist nicht zumutbar, Nachbarn oder kaum bekannte Personen mit Wohnungsschlüsseln zu betrauen. Wenn aber jemand etwa ohnehin regelmäßig Nachbarn bittet, während des Urlaubs nach der Wohnung zu sehen, kann deren Beiziehung im Einzelfall als zumutbar gelten.
Kommt es durch unvorhersehbare Ereignisse – etwa Flugverspätungen, Unwetter oder gesperrte Straßen – zu einer verspäteten Rückkehr aus dem Urlaub, liegt ebenfalls eine Dienstverhinderung ohne Verschulden vor, und der Entgeltanspruch bleibt bestehen. Der/die Arbeitnehmer: in muss aber alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Dienst zeitgerecht antreten zu können. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin ist unverzüglich zu informieren.
Wenn der Ausfall von öffentlichen Verkehrsmitteln rechtzeitig angekündigt wurde und somit vorhersehbar ist, haben ArbeitnehmerInnen alle ihnen zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen und müssen sich nach Alternativen umschauen. Fehlt eine zumutbare Alternative, muss der/die Arbeitgeber:in informiert werden, dass man es nicht pünktlich in die Arbeit schafft.
Bei alltäglichen und vorhersehbaren Verkehrsproblemen wie typischen Staus gilt: Diese müssen einkalkuliert werden und bei der Anfahrt zum Betrieb berücksichtigt werden.
Viele Kollektivverträge enthalten Regelungen zu Dienstverhinderungsgründen, etwa für
• Hochzeit,
• Geburt eines Kindes,
• Begräbnis naher Angehöriger,
• Umzug/Wohnungswechsel.
Die Kollektivverträge sehen dabei zumeist eine genaue Anzahl an „frei zu gebenden“ Tagen für bestimmte Ereignisse vor. Sie stellen ein Mindestmaß dar. Dadurch wird wesentlich zur Rechtssicherheit beigetragen.
Arbeitnehmer:innen sollten sich im Betrieb erkundigen, wie und bei wem Dienstverhinderungen zu melden sind.
Ob Schneemassen, Rohrbruch, Arztbesuch oder Flugverspätung – entscheidend ist immer:
- Kein Verschulden der Arbeitnehmer:innen,
- Verhältnismäßig kurze Dauer,
- Persönliche Betroffenheit,
- Unverzügliche Meldung an den/die Arbeitgeber:in.
Dann besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung aus wichtigem Grund.