Zum Hauptinhalt wechseln

Allzeit bereit!? Musst du auch in deiner Freizeit erreichbar sein?

Immer wieder sind Angestellte auch in ihrer Freizeit für den Arbeitgeber erreichbar. Zumeist ist es im Betrieb so üblich oder wird stillschweigend vorausgesetzt. Aber muss man das? Unbezahlt? Wir informieren dich über deine Rechte und Ansprüche.

Ich erinnere mich an eine Krankenschwester, die ihr Diensthandy auch in ihrer Freizeit eingeschaltet lassen sollte, um für den Fall erreichbar zu sein, dass aufgrund eines unerwarteten Personalengpasses ein kurzfristiges Einspringen erforderlich wäre. Das ging so weit, dass sie, wenn sie abends ins Theater ging, ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie ihr Diensthandy während der Vorstellung lautlos stellen musste.

Ein Sachbearbeiter im Verkauf erzählte mir, dass er auch am Wochenende die E-Mails seiner Kund:innen beantworte, weil sein Chef meine, gutes Service erfordere diesen Einsatz. „Es sind ja höchstens zwanzig, dreißig Minuten am Tag“, zuckte er die Achsel. „Das geht schon.“

Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit ist nicht verpflichtend

Bezahlt wird diese Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit nicht. Es sind ja nur ein paar Anrufe im Monat, bagatellisieren die Arbeitgeber, und nur ein paar E-Mails am Wochenende. Dass ihre Beschäftigten im Regelfall nicht dazu verpflichtet sind, in ihrer Freizeit erreichbar zu sein oder gar Arbeitsleistung zu erbringen, übersehen sie dabei geflissentlich.

Rufbereitschaft muss vereinbart und bezahlt werden

Anders ist das bei Rufbereitschaft. Diese muss vereinbart werden und wird abgegolten. Die Höhe der Abgeltung legt häufig ein Kollektivvertrag fest, es gibt aber auch betriebliche oder einzelvertragliche Abmachungen.
Während der Rufbereitschaft muss der/die ArbeitnehmerIn permanent erreichbar und auch jederzeit einsatzbereit sein. Rufbereitschaft schränkt das Freizeitverhalten der Betroffenen also deutlich ein. Sie können ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen und müssen für einen allfälligen Arbeitseinsatz fit bleiben. Aus diesem Grund kann Rufbereitschaft auch nicht unbeschränkt vereinbart werden. Das Arbeitszeitrecht zieht klare Grenzen. Außerhalb der Arbeitszeit darf Rufbereitschaft nur an zehn Tagen pro Monat oder – sofern der Kollektivvertrag das zulässt – an 30 Tagen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vereinbart werden. Außerdem darf sie pro Monat nur zweimal in die Wochen- bzw Wochenendruhe fallen.

Anspruch auf Entgelt auch bei fehlender Vereinbarung

Auch wenn keine Abgeltung vereinbart wird, ist Rufbereitschaft zu bezahlen. Das gilt auch dann, wenn sie über die zulässigen Grenzen hinaus besteht. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) im Fall einer Sicherheitsfachkraft mit militärischer Spezialausbildung klargestellt. Dem Arbeitnehmer war bereits anlässlich seiner Einstellung erklärt worden, dass er jederzeit erreichbar und einsatzbereit sein müsse. Immerhin stünden z.B. im Fall eines Terroranschlags Menschenleben auf dem Spiel. Über eine finanzielle Abgeltung wurde nicht gesprochen. Diese Rufbereitschaft galt 7 Tage die Woche, 24 Stunden täglich, was natürlich nicht gesetzeskonform ist.

Der Freizeitwert des Arbeitnehmers war empfindlich eingeschränkt. Sein Diensthandy musste auch außerhalb der Arbeitszeiten stets aufgeladen sein und durfte nicht lautlos geschaltet werden. Wollte er das Haus verlassen und z.B. joggen, musste er das der Sicherheitszentrale melden. Wegen der jederzeitigen Einsatzbereitschaft war er verpflichtet, stets sowohl geistig als auch körperlich fit zu sein. Alkohol in der Freizeit war im Grunde verboten.

Der Arbeitnehmer klagte schließlich rund 26.000 Euro als Abgeltung seiner Rufbereitschaft in den Jahren 2013 bis 2015 ein. Pro Stunde veranschlagte er mangels Vereinbarung drei Euro. Der OGH bestätigte, dass Rufbereitschaft vorliegt und grundsätzlich zu bezahlen ist. Mangels Vereinbarung gebühre ein angemessenes Entgelt. Auch für unsere Krankenschwester könnte dieses Urteil interessant sein.

Jegliche Arbeitszeit ist aufzuzeichnen

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) setzte sich mit der Aufzeichnungspflicht bezüglich Arbeitszeit auseinander. Ohne lückenlose Aufzeichnung der tatsächlich geleisteten täglichen Arbeitsstunden sowie ihrer zeitlichen Lage, so der EuGH, könne keine über die gewöhnliche Arbeitszeit hinausgehende, als Überstunden geleistete Arbeitszeit objektiv und verlässlich ermittelt werden. Auch die Überprüfung der Einhaltung der vorgesehenen täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten erscheine ohne systematische Arbeitszeiterfassung praktisch unmöglich.

Und unser Sachbearbeiter?

Wenn sein Vorgesetzter von unserem Sachbearbeiter also erwartet, dass er auch am Wochenende Kund:innen-E-Mails beantwortet, wäre die am Samstag und Sonntag geleistete Arbeitszeit aufzuzeichnen und zu bezahlen. Damit würde auch ein eklatanter Rechtsbruch zutage treten: Durch die Arbeit am Wochenende wird nämlich die gesetzlich vorgeschriebene, ununterbrochene wöchentliche Ruhezeit im Ausmaß von 36 Stunden nicht eingehalten, was Anspruch auf Ersatzruhe auslöst.
Vielleicht sollte Freizeit also doch Freizeit bleiben – und vielleicht sollten auch Arbeitgeber darauf achten.

Die Gewerkschaft GPA hilft

GPA-Mitgliedern steht ein vielfältiges Beratungsangebot zu arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Nicht-Mitglieder können unter 050301-301 eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.