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Zeit zu handeln! Arbeitszeit im Wandel der Gesellschaft

Betriebsrät:innenkonferenz am 17. November in Wien

Elisabeth Mandl

Unsere Gesellschaft befindet sich in ständigem Wandel – das ändert auch unseren Blickwinkel auf die Arbeitszeit. Kontinuierliche Produktivitätszuwächse, Arbeitsmarkttrends und nicht zuletzt der Wunsch nach einer gesünderen Work-Life-Balance lassen den Ruf nach Arbeitszeitverkürzung zurecht immer lauter werden. Die Mehrheit der Beschäftigten wünscht sich eine Verkürzung der Arbeitszeit, immer mehr Betriebe setzen sie sogar freiwillig um. Zahlreiche positive Erfahrungen aus verschiedensten Ländern in Europa und Unternehmen zeigen, dass Arbeitszeitverkürzungen die Beschäftigten gesünder, zufriedener und produktiver machen. 

Diese Entwicklungen haben wir zum Anlass genommen, um uns als Gewerkschaft GPA am 17. November 2023 im Rahmen einer Betriebsrät:innenkonferenz mit insgesamt mehr als 300 Teilnehmer:innen vor Ort sowie online intensiv mit Fragestellungen rund um das Thema Arbeitszeitverkürzung auseinander zu setzen.

Wie verändert sich die Gesellschaft und was bedeutet das für unsere Arbeitszeit?

In einem Expert:innentalk legten Bettina Stadler von der Universität Graz und Stefan Angel vom WIFO den Zuhörer:innen die Entwicklung des Arbeitszeitausmaßes in der Geschichte dar. Seit der letzten Verkürzung der gesetzlichen Arbeitszeit im Jahr 1975 erfolgten weitere sektorale Verkürzungen ausschließlich über kollektivvertragliche Regelungen, auch die COVID-19-Pandemie hatte angesichts von Maßnahmen wie Kurzarbeit deutliche Auswirkungen auf das Arbeitszeitausmaß vieler Beschäftigter. Stefan Angel berichtete von einer vom WIFO durchgeführten Studie, wonach eine Arbeitszeitreduktion auf jene Stundenzahl, die Arbeitnehmer:innen am liebsten arbeiten würden, bei vollem Lohnausgleich zu einer Reduktion des BIP von weniger als einem Prozent führen würde, während zugleich positive Beschäftigungseffekte zu beobachten wären. Bettina Stadler betonte, dass ein Mehr an Freizeit auch zu gesünderen Arbeitnehmer:innen bis zum Pensionsantritt beiträgt.

Elisabeth Mandl

Welche internationalen Beispiele für Arbeitszeitverkürzungen gibt es?

Bei der tatsächlich geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit liegt Österreich mit durchschnittlich 40,7 Stunden im europäischen Vergleich ganz weit vorne. Der Wunsch nach kürzeren und flexibleren Arbeitszeiten ist dennoch auch in den meisten anderen EU-Ländern ähnlich hoch ausgeprägt. 

Das zentrale Motiv der europäischen Gewerkschaften ist daher eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und mehr Arbeitszeitsouveränität, um den Beschäftigten eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen. Auch im europäischen Kontext wird dabei eines deutlich: Bei der Einführung von Modellen zur Arbeitszeitverkürzung auf Unternehmensebene ist die Einbindung von Betriebsrät:innen und Gewerkschaften unbedingt sicherzustellen.

Elisabeth Mandl

Der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten verbindet Europas Arbeitnehmer:innen , die Wege dorthin sind vielfältig.

Torsten Müller, Europäisches Gewerkschaftsinstitut (ETUI)

Welche innovativen Arbeitszeitmodelle gibt es und wie gelingt die Umsetzung in der betrieblichen Praxis?

Rund um das Thema Arbeitszeit und Arbeitszeitverkürzung wurde natürlich auch die Branchen- und Betriebsebene in den Fokus genommen. Über die Kollektivvertragspolitik ist es der Gewerkschaft GPA bereits in den unterschiedlichsten Branchen gelungen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Dies ist zum einen über eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit gelungen, aber auch beispielsweise durch zusätzliche Urlaubstage oder Umwandlungen von Lohnerhöhungen in Freizeit.

Elisabeth Mandl

Bei einem spannenden Talkformat haben vier Betriebsrät:innen aus unterschiedlichsten Branchen betriebliche Modelle zur Arbeitszeitverkürzung vorgestellt und diskutiert, die über Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden. Die Bandbreite reichte von einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich über zusätzliche Urlaubstage bis hin zu attraktiveren Regelungen bei der Altersteilzeit.

Elisabeth Mandl

Die Viertage-Woche wird nur funktionieren, wenn eingefahrene Arbeitsmuster verändert werden können. Wir wollen nicht die aktuelle Arbeit in vier Tage hineinquetschen, sondern eine echte Entlastung erreichen.

Martina Neunteufl, stv. Betriebsratsvorsitzende bei T-Systems Austria

Podiumsdiskussion: In welche Richtung muss sich unsere Arbeitszeit entwickeln?

Zum Abschluss der Betriebsrät:innenkonferenz fand eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zur Zukunft der Arbeitszeitgestaltung statt. AMS-Vorständin Petra Draxl berichtete von den aktuellen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt und wies auf die Notwendigkeit der Schaffung umfangreicherer Kinderbetreuungsmöglichkeiten hin, um mehr unfreiwillig in Teilzeit arbeitende Menschen – vor allem Frauen – in Vollzeitjobs zu bringen. Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger betonte seinen Einsatz für kürzere Arbeitszeiten, um den Menschen so mehr Zeit zur Selbstverwirklichung und für eine gerechtere Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen zukommen zu lassen. WKO-Vizepräsident Philipp Gady, selbst Unternehmer, sah Schwierigkeiten bei der Umsetzung kürzerer Arbeitszeiten und befürchtete negative wirtschaftliche Effekte für den Unternehmensstandort Österreich, während sich die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, vehement für kürzere Arbeitszeiten aussprach, dies sei der Wunsch der Beschäftigten.

 

Elisabeth Mandl

Dass wir für höhere Löhne und Gehälter, aber auch für bessere Arbeitsbedingungen und kürzere Arbeitszeiten kämpfen, liegt in der DNA der Gewerkschaft GPA!

Barbara Teiber, Vorsitzende der GPA
Elisabeth Mandl