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Demokratischere Beteiligung von Arbeitnehmer*innen durch mehr Mitbestimmung für Betriebsrät*innen

Eine globalisierte Arbeitswelt wie die unsere stellt Arbeitnehmer*innen und deren Vertreter*innen laufend vor neue Herausforderungen. Nicht zuletzt während der Covid-Pandemie, in der viele Umstrukturierungen in Unternehmen stattgefunden haben, ohne dass Betriebsräte aktiv eingebunden waren und Arbeitnehmer*innenrechte vertreten konnten.

Luiza Puiu

In grenzüberschreitenden Märkten, wie im EU-Binnenmarkt-Markt, müssen Beschäftigte und ihre Vertreter*innen die Möglichkeit haben, ihre Interessen auch über nationalstaatliche Grenzen hinweg vertreten zu können. Deswegen gibt es in der EU Europäische Betriebsräte. Diese sollen sicherstellen, dass auch in multinationalen Konzernen die Belegschaft über transnationale Angelegenheiten informiert wird und dass ein Meinungsaustausch mit der Geschäftsführung stattfindet. Die Richtlinie zu den Europäischen Betriebsräten (EBR) von 1994 wurde zuletzt im Jahr 2009 überarbeitet und umfasst das Recht der Betriebsräte auf Unterrichtung und Anhörung zu länderübergreifenden Fragen der Mitarbeiter*innen.

Warum brauchen wir nun eine die Überarbeitung der Richtlinie?

Seit 2009 hat sich gezeigt, dass die Neufassung der Richtlinie ihre Ziele nicht erreichen konnte. So mussten wir z.B. sehen, dass in vielen Fällen Arbeitgeber*innen länderübergreifende Maßnahmen umgesetzt haben, ohne den Europäischen Betriebsrat zu unterrichten und anzuhören. Die Wahrung der Rechte der Betriebsrät*innen hing zu sehr vom guten Willen des Managements ab. So wurden die Europäischen Betriebsrät*innen oft erst informiert, als endgültige Entscheidungen bereits gefallen waren. Auch Vertraulichkeitsklauseln wurden häufig von der Unternehmensleitung missbraucht, um Informationen zurückzuhalten. Zu guter Letzt gelang es den Arbeitgeber*innen auch die Einrichtung eines EBR zu verzögern oder gar ganz zu blockieren.

Laut der Richtlinie von 2009 gibt es außerdem für das Management keine Verpflichtung die Stellungnahmen des EBR zu berücksichtigen. Eine der Hauptforderungen des Parlaments ist daher, dass der EBR genug Zeit und Ressourcen für eine Stellungnahme haben muss. Damit wollen wir sicherstellen, dass der EBR rechtzeitig eine sinnvolle Konsultation des Managements vornehmen kann. Damit die Leitung des Unternehmens die Betriebsrät*innen auch wirklich bei der Planung und Umsetzung von Beschlüssen beteiligt, die wesentlichen Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer*innen haben, setze ich mich als Gewerkschafterin dafür ein, dass das Management eine begründete Antwort auf die entsprechenden Stellungnahmen geben muss. Bisher gab es zu viele Ausnahmeregelungen sowie Vertraulichkeitsklauseln, die eine sinnvolle Konsultation oft nicht ermöglichen. Wir wollen, dass diese nun gestrichen werden und verlangen wirksamere Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Rechte für EBRs. Derzeit gibt es vernachlässigbare Geldstrafen von beispielweise 23 € (Malta) bzw. 30 € (Litauen) pro Arbeitnehmer*in für multinationale Unternehmen mit Milliardenumsätzen!

Ein weiteres Problem ist die sehr unterschiedliche Umsetzung der Richtlinie in den verschiedenen Mitgliedsstaaten. Diese uneinheitliche Rechtssetzung kann gerade bei multinationalen Unternehmen zu Rechtsunsicherheit führen, oder dazu, dass Unternehmen den Sitz in ein Land verlegen, in dem die Rechte der Arbeitnehmer*innen und Betriebsrät*innen weniger gut umgesetzt worden ist. Schon bei den Verhandlungen zum Company Law Package habe ich 2019 mit einem Bericht auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Betriebsrät*innen dürfen nicht durch Verlegung des Firmensitzes ausgehebelt werden! Wir wissen, dass die frühzeitige Einbeziehung von Betriebsrät*innen zu besseren Managemententscheidungen führt, zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt und vor allem zu zufriedeneren Arbeitnehmer*innen.

Als Gewerkschafterin und Feministin setze ich mich auch für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den EBRs sowie deren Leitung ein, welches durch die Überarbeitung der Richtlinie nun sichergestellt werden soll.

Was sind die nächsten Schritte?

Sowohl im Sozialausschuss, wie auch am 2.Februar 2023 im Plenum des Europäischen Parlaments haben wir uns mit großer Mehrheit für eine Überarbeitung der EBR-Richtlinie ausgesprochen. Die ersten Hürden sind damit genommen: Wir haben die Kommission aufgefordert, die alte Richtlinie zu überarbeiten und zu verbessern. Die Kommission muss nun innerhalb eines Jahres einen verbesserten Entwurf vorlegen, der anschließend im europäischen Parlament und im Rat analysiert und verhandelt wird.

Es ist mir persönlich sehr wichtig, die bestehenden Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmer*innen und ihren Vertreter*innen auf EU-Ebene auch in der Praxis umzusetzen - und genau das fordern wir hiermit ein!