Zum Hauptinhalt wechseln

Ein Europa das schützt?

EWSA-GewerkschafterInnen diskutierten den österreichischen EU-Ratsvorsitz in Wien.

Am 9. Oktober fand im ÖGB in Wien eine außerordentliche Sitzung der Gruppe der ArbeitnehmerInnen im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) statt. Sie beschäftigte sich mit dem Motto des österreichischen EU-Ratsvorsitzes, allerdings als eine Frage formuliert: Ein Europa, das schützt?“

Wen schützt dieses Europa wirklich?

Die Vorsitzende der Gruppe der ArbeitnehmerInnen im EWSA, Gabriele Bischoff, stellte gleich zu Beginn der Sitzung klar, dass dieser Schutz, von dem die österreichische Regierung im Zuge ihrer Ratspräsidentschaft immer spricht, lediglich dazu dient Grenzzäune aufzuziehen und den Nationalismus in Europa weiter zu befeuern. Von einem dringend benötigten Schutz für ArbeitnehmerInnen, die oftmals den Auswirkungen des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes schutzlos ausgeliefert sind, hingegen sei nicht die Rede. Ganz im Gegenteil, wenn es beispielsweise um die Einführung einer Europäische Arbeitsbehörde zum Schutz unserer Lohn- und Sozialstandards geht, erhält man von der österreichischen Bundesregierung eine klare Absage dafür.

Die Prioritäten des österreichischen Ratsvorsitzes

Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Büros in Brüssel, wies daraufhin, dass die Politik der österreichischen Bundesregierung ganz eindeutig antieuropäisch einzustufen ist. Die Forderung nach mehr Subsidiarität zementiert letztlich die neoliberale Grundausrichtung der EU ein und degradiert Lohn- und Sozialpolitik stets zu einem Thema zweiter Klasse. Außerdem benutzt die Regierung das Flüchtlingsthema dazu die neoliberale Grundausrichtung der EU zu vernebeln.

Dass die FPÖ beim EU-Beitritt 1995 in erster Linie vor sich selbst gewarnt hat, stellte der Leiter der AK-Europaabteilung, Valentin Wedl, fest. Damals wurde vor allem von freiheitlicher Seite vor dem Absenken der hohen österreichischen Standards gewarnt. Nun sind es unter anderem die Freiheitlichen selbst, die unter dem Deckmantel des „Gold Plating“ die Standards in Österreich absenken wollen. Ein weiterer Widerspruch ist die Kritik an der Personenfreizügigkeit einerseits, die vor allem von den Rechtsparteien immer wieder geäußert wird und dem Verhindern einer Europäischen Arbeitsbehörde, die Gesetzesübertretungen in diesem Bereich wirksam ahnden könnte, andererseits.

Nationalisten im Vormarsch – Europa weltweit in der Defensive

Einen Überblick über die globalen politischen Entwicklungen gab der Journalist und Historiker Raimund Löw. Dabei war von einer historischen Umbruchsituation die Rede, welche zu einem weltweiten Vormarsch der Nationalisten führt. Diese Entwicklung lässt sich in drei Kategorien gliedern: Trump in den USA, die aufstrebende Wirtschaftsmacht China und das defensive Europa.

Das defensive Europa hat nach wie vor eine große „Soft-Power“, das Modell des Sozialstaates aber auch die EU als Friedensprojekt sind nach wie vor hoch angesehen. In vielen Teilen der Welt herrscht jedoch wenig Verständnis dafür, dass Europa den Integrationsprozess nicht weiter vorantreibt und wesentliche Politikfelder nach wie vor in nationalen Kompetenzen belässt. Aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft der Union in Europa ist die EU ideologisch und global gesehen in der Defensive.