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EU-Gewaltschutzpaket in Verhandlung

Gewalt gegen Frauen ist leider auch 2023 noch allgegenwärtig. Aus diesem Grund forderten wir im Europäischen Parlament seit Jahren ein umfassendes Anti-Gewaltpaket. Die Kommission hat auf unseren Druck 2022 reagiert und einen entsprechenden Gesetzesvorschlag - die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt - vorgelegt, die umgangssprachlich als EU-Gewaltschutzpaket bekannt ist, das häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen EU-weit einheitlich unter Strafe stellt. Seitdem wurde der Gesetzesvorschlag sowohl im Rat, also unter den Mitgliedsstaaten, als auch im EU-Parlament intensiv diskutiert.

Luiza Puiu

Er spricht wichtige Punkte, wie - erstmals auch - Gewalt im Internet, weibliche Genitalverstümmelung und Vergewaltigung an.

Nachdem die Kommission einen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat, arbeiten Parlament und Rat parallel dazu ihre Stellungnahmen aus und treten anschließen in die finalen Verhandlungen.

Zu meinem Entsetzen hat der Rat die EU-weite Bestrafung von Vergewaltigung aus seiner finalen Positionierung herausgestrichen. Die österreichische Regierung hat die gemeinsame Deklaration von Belgien, Griechenland, Luxemburg und Italien, die ihr Bedauern über den mangelnden politischen Willen, Vergewaltigung EU-weit unter Strafe zu stellen, nicht mitunterzeichnet.

Braucht es das Gewaltschutzpaket in Österreich?

Das Kernstück des Gesetzesvorschlags ist eine gemeinsame Definition von Vergewaltigung, die klar benennt, unter welchen Tatsachen der Übergriff EU-weit unter Strafe gestellt werden soll. Die Kommission zielte darauf ab, Vergewaltigung EU-weit als „Ja-heißt-Ja“-Ansatz unter Strafe zu stellen. Davon würde auch Österreich profitieren.

Auf nationalstaatlicher Ebene gab es in Österreich 2016 eine Reform des Strafgesetzbuches. Seitdem folgt Österreich dem „Nein-heißt-Nein“-Ansatz, was so viel heißt wie ein sexueller Übergriff ist dann in Österreich strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird.

Vor 2016 sah die Situation in Österreich noch ganz anders aus: Es musste Gewalt angewendet oder angedroht werden, damit eine Vergewaltigung als Straftat galt. Laut der Istanbul-Konvention des Europarates, die das erste völkerrechtlich verbindliche Instrument zur umfassenden Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen und Mädchen in Europa darstellt, sind alle nicht-einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen. Erst seit dieser Reform, also seit sieben Jahren, ist Österreichs Sexualstrafrecht somit im Einklang mit der Istanbul-Konvention.

Im europäischen Vergleich ist das österreichische Sexualstrafrecht noch immer sehr schwach. Elf EU-Länder (Belgien, Dänemark, Irland, Kroatien, Luxemburg, Malta, Schweden, Griechenland, Slowenien, Spanien und Zypern) verfolgen bereits das „Nur-Ja-heißt-Ja“-Prinzip. Nach dieser Definition will auch die Kommission Vergewaltigung auf EU-Ebene unter Strafe stellen. Der „Nein-heißt-Nein“- Ansatz im Gegensatz dazu fokussiert sich auf das Abwehrverhalten der betroffenen Person und deren Nachweise. Das „Nur-Ja-heißt-Ja“-Prinzip stellt die Zustimmung aller Beteiligten ins Zentrum und verpflichtet die mutmaßlichen Täter:innen zum Nachweis, dass diese Zustimmung vorlag. Die betroffene Person muss sich somit nicht vor Gericht rechtfertigen, warum und wie sie den Akt verneint habe bzw. nicht wollte, sondern der:die andere muss erklären, wie die Zustimmung - ob verbal oder non-verbal - unmissverständlich gegeben wurde. Diese Änderung leitet einen wichtigen Perspektivenwechsel ein: Wir entfernen uns als Gesellschaft davon, die Verantwortung für sexuelle Übergriffe auf die Betroffenen abzuwälzen. Im Gegenteil: Wir verlangt Erklärungen vo - vermeintlichen - Täter.

Nein zu Gewalt in der Arbeitswelt!

Das Gewaltschutzpaket sieht auch eine EU-weite Definition von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vor. Während der Rat auch hier bedauerlicherweise sehr wenig Ambitionen zeigt und diese Definition aus seiner Positionierung herausgestrichen hat, haben sich die Diskussionen im Europäischen Parlament auch hier in eine andere Richtung bewegt: gemäß der ILO Konvention 190 soll Belästigung nicht nur am Arbeitsplatz, sondern in der ganzen Arbeitswelt sanktioniert sein. Damit sollen alle auch am Weg zur Arbeit, bei (Abend-)Veranstaltungen und Dienstreisen geschützt werden.

Was sind die nächsten Schritte?

Das EU-Parlament stimmt am 28.Juni über seine finale Positionierung ab. Dann folgen die interinstitutionellen Verhandlungen zwischen Parlament und Rat, der sogenannte Trilog, in dem ein gemeinsamer Kompromiss ausgehandelt wird.

Für mich ist klar: Gewalt und insbesondere sexuelle Gewalt ist kein Kavaliersdelikt, kein „kleiner“ Grenzübertritt, der nicht klar erkennbar ist. Hier müssen wir in Österreich und in der EU ein Umdenken einleiten und endlich den Betroffenen glauben, statt sie mit Misstrauen und weiteren Anschuldigen einzuschüchtern.

Wir dürfen diese einmalige Möglichkeit auf EU-Ebene nicht verpassen und müssen hier strafrechtlich die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Unser gemeinsames Ziel ist ganz klar: eine gewaltfreie, sichere und gleichberechtigte Gesellschaft!