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Europäische Strategie für Pflege und Betreuung präsentiert

Die EU-Kommission hat am 7. September ihre Strategie für Pflege und Betreuung präsentiert. Die in der Europäischen Säule sozialer Rechte verankerten Grundsätze bilden das politische Fundament für diese Initiative. Die Mitteilung der Kommission fasst insbesondere zwei Bereiche konkret ins Auge: Qualität sowie Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege sollen sich verbessern und insgesamt wird eine höhere Anzahl an Pflegeplätzen angestrebt. Die Rahmenbedingungen in der frühkindlichen Betreuung will man attraktivieren und eine entsprechende Erweiterung dieses Angebotes vornehmen.

Pflege- und Betreuungsstrategie um Ratsempfehlungen ergänzt

Die Strategie beinhaltet mehrere Maßnahmen, die hochwertige, bezahlbare und leicht zugängliche Pflege- und Betreuungsdienste ermöglichen sollen. Im selben Atemzug will die Kommission die Arbeits- und Lebensbedingungen von Betreuungs- und Pflegekräften sowie Privatpersonen, die informell Pflegedienste erbringen, verbessern. Ergänzend zur Pflegestrategie wurden zwei Ratsempfehlungen veröffentlicht, die sich direkt an die Mitgliedstaaten richten.

Empfehlungen für Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege

Die vorgeschlagene Empfehlung der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten soll einen besseren sozialen Schutz bei Langzeitpflege ermöglichen, damit Bedürftige einen schnelleren und umfassenden Zugang dazu erhalten. Insgesamt will man ein größeres und vielfältigeres Langzeitpflegeangebot zur Verfügung stellen. Dazu empfiehlt die Kommission einen entsprechenden nationalen Qualitätsrahmen zu garantieren, der sich an den europäischen Grundsätzen orientiert und auch Qualitätssicherungsmechanismen sicherstellt.

Auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sollen von den Mitgliedstaaten Reformen und Investitionen vorangetrieben werden. Die Kommission spricht sich auch für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne, einen ausgeprägten sozialen Dialog und entsprechende Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Pflegebeschäftigten aus. Pflegende Angehörige sollen durch Schulungen, Beratungen und finanzielle Hilfen Unterstützung erfahren. 

Empfehlungen zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung (Barcelona-Ziele)

Im entsprechenden Kommissionsvorschlag werden überarbeitete Barcelona-Ziele präsentiert. Diese sehen vor, dass bis 2030 mindestens 96% der Kinder zwischen drei Jahren und Schuleintritt sowie mindestens 50% der Kinder unter drei Jahren an frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung teilnehmen sollen. Österreich hat das bisherige EU-Kinderbetreuungsziel für unter drei-jährige bereits elf Mal in Folge verfehlt und wird nun noch weiter zurückfallen.

Die Notwendigkeit, Qualität, Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung zu verbessern, wird von der Kommission ebenfalls hervorgehoben.

Beim Austausch mit EU-Sozialkommissar Schmit wurden die Empfehlungen und Perspektiven zur Europäischen Strategie für Pflege und Betreuung, unteranderem von Beatrix Eiletz, BA-Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs WB 17, präsentiert.
Beim Austausch mit EU-Sozialkommissar Schmit wurden die Empfehlungen und Perspektiven zur Europäischen Strategie für Pflege und Betreuung, unteranderem von Beatrix Eiletz, BA-Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs WB 17, präsentiert.

Mitgliedstaaten nun am Zug, Verbesserungen bei Pflege und Betreuung herbeizuführen

Die Mitgliedstaaten sind nun gefordert, die Ratsempfehlungen zu diskutieren und anzunehmen, um auch eine entsprechende Verbindlichkeit sicherzustellen. Ein Jahr nach Annahme der Empfehlungen müssten die EU-Länder der Kommission konkrete Maßnahmen zur Erreichung der formulierten Ziele vorlegen. Die Kommission würde in Folge im Rahmen des Europäischen Semesters den Umsetzungsfortschritt evaluieren und Reformen bzw. Investitionen durch EU-Mittel unterstützen.

Europäischen Gewerkschaftsverbänden greifen Maßnahmen zu kurz

Oliver Röthig, Regionalsekretär von UNI Europa, dem europäischen Gewerkschaftsverband für Beschäftigte des Dienstleistungssektors, äußert sich zur Strategie: "Die Europäische Pflegestrategie stellt die richtige Diagnose, aber sie versäumt es, die notwendige Behandlung zu verordnen. Sie weist zu Recht darauf hin, dass schlechte Arbeitsbedingungen die Hauptursache für das tödliche Versagen der Pflegesysteme in ganz Europa sind. Die Strategie versäumt es jedoch, die Möglichkeiten der ArbeitnehmerInnen zur Verbesserung ihrer Bedingungen zu erweitern.“

Jan Willem Goudriaan, Generalsekretär von EPSU, dem europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst, beurteilt das Papier folgendermaßen: „Ich begrüße es, dass der Schwerpunkt auf der Aufwertung der Rolle der Pflegekräfte liegt, sowohl in der Langzeitpflege als auch in der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sind notwendig, um motivierte Arbeitskräfte zu rekrutieren, zu halten und damit den wachsenden Arbeitskräftemangel zu bekämpfen.“

Gleichzeitig unterstützt EPSU die Forderung nach mehr öffentlichen Investitionen in den Pflegesektor, obwohl die Kommerzialisierung der Pflege durch die Strategie nicht eingeschränkt wird. Angesichts der Reihe von Skandalen im Zusammenhang mit gewinnorientierten Pflegeheimen in den letzten Jahren geht die Forderung nach mehr Regulierung und Qualitätsmechanismen zur Überwachung der Investitionen EPSU nicht weit genug.