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Europäischer Betriebsrat: Umgang mit vertraulichen Informationen

Der Kommunikationsfluss zwischen Management und dem Europäischen Betriebsrat (EBR) ist für eine erfolgreiche Interessenvertretung der Beschäftigten wesentlich. Die EBR-Richtlinie räumt der Geschäftsführung jedoch das Recht ein, den Informationsfluss unter gewissen Umständen einzuschränken oder besondere Bedingungen dafür zu stellen, wenn sie dies für notwendig hält. Das bedeutet, dass das Management ein mächtiges Instrument hat, die Handlungsmöglichkeiten des EBR einzuschränken und ihn daran zu hindern, seine Aufgaben wahrzunehmen. Das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ETUI) widmet sich dieser Herausforderung in einem neuen Handbuch und zwei Forschungspapieren.

ETUI

Informationen können als vertraulich bezeichnet oder gänzlich geheim gehalten werden

Der EBR muss über Entscheidungen, die potenzielle Auswirkungen auf die Beschäftigten haben könnten, informiert und angehört werden. Dies muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Maßnahmen noch beeinflusst werden können.

Die Geschäftsführung eines Unternehmens hat jedoch die Möglichkeit, gewisse Informationen als "vertraulich" einzustufen. Dadurch kann dem EBR untersagt werden, diese an Dritte weiterzugeben, einschließlich der zu vertretenden Beschäftigten und lokaler Betriebsräte.

Alternativ dazu kann die Unternehmensleitung eine weitere spezielle Klausel in der EBR-Gesetzgebung nutzen. Diese ermöglicht es dem Management, Informationen geheim zu halten und erst gar nicht weiterzugeben, wenn die Offenlegung dieser dem Unternehmen „schaden“ könnte. Gerechtfertigt wird diese Einschränkung des Informationsflusses häufig mit dem Argument, dass die Weitergabe bestimmter Daten Einfluss auf den Aktienkurs des Unternehmens haben könnte.

Vertraulichkeitsklauseln sollen nur in Ausnahmefällen Anwendung finden

Aufgrund der gesetzlichen Befugnisse des EBR sollte die Anwendung von Vertraulichkeitsklauseln begrenzt und nur auf Ausnahmefälle beschränkt sein. Macht die Geschäftsführung von ihrem Recht auf Vertraulichkeit Gebrauch, kann dies nur unter Angabe entsprechender Gründe und besonderer Bedingungen erfolgen. Diese sind in den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften festgehalten. Vertraulichkeit kann nicht willkürlich oder nach subjektiven Kriterien angewandt werden.

Der EBR muss in der Lage sein zu beurteilen, ob die Unternehmensleitung ungerechtfertigt von der Vertraulichkeitsklausel Gebrauch gemacht hat und unter welchen außergewöhnlichen Umständen ihre Anwendung als legitim angesehen werden kann.

In vielen Ländern kann der EBR vor Gericht gegen die auferlegte Vertraulichkeitspflicht vorgehen. In Österreich oder Deutschland gibt es eine solche Klausel jedoch nicht.

Besonders sensible Informationen: Geheimhaltungsklausel dennoch nicht notwendig

Bestimmte unternehmensbezogene Informationen können beispielsweise aufgrund der Gefahr von Auswirkungen auf den Aktienkurs besonders sensibel sein. In vielen Fällen führt dies dazu, dass Geschäftsführungen von ihrem Recht auf "Geheimhaltung" Gebrauch machen. Das bedeutet, dass der EBR überhaupt keine Informationen dazu erhält.

Es gibt jedoch entsprechende Gesetze zum Aktienmarkt, die den Umgang mit dieser Art von sensiblen Informationen regeln. Diese zielen nicht darauf ab, die Rechte der Beschäftigten auf Information einzuschränken, sondern sollen Verzerrungen auf den Aktienmärkten verhindern, die durch einen ungleichen Zugang zu Informationen und die Nutzung von Insiderinformationen verursacht werden könnten. Es besteht daher auch bei besonders sensiblen und börsenrelevanten Informationen keine Notwendigkeit, eine Geheimhaltungsklausel anstatt der Vertraulichkeitsklausel anzuwenden.

Die grundlegenden Rechte der Beschäftigten auf Unterrichtung und Anhörung sind also in keiner Weise den Vorschriften zum Aktienmarkt untergeordnet. Die Vertraulichkeit der EBR-Mitglieder ist durch eine gesetzliche Bestimmung bereits gewährleistet. Es gibt also keinen Grund, warum der EBR nicht auch über diese sensiblen Daten informiert werden sollte.

Vertraulichkeitsverpflichtung als strategisches Instrument für den EBR

Verpflichtungen zur Vertraulichkeit können unter bestimmten Umständen auch von strategischem Vorteil für den EBR sein. Zwischen dem Recht der Geschäftsführung auf Geheimhaltung gewisser Informationen und der Vertraulichkeitsverpflichtung der EBR-Mitglieder kann ein Zusammenhang hergestellt werden. Möchte die Geschäftsführung ihr Recht auf Geheimhaltung bei besonders sensiblen Informationen in Anspruch nehmen, könnte der EBR auf die für ihn anwendbare Vertraulichkeitsverpflichtung hinweisen und somit Zugang zu diesen Daten einfordern.

Vertraulichkeit zwischen EBR-Mitgliedern und lokalen Beschäftigten-VertreterInnen

Der EBR vertritt die Beschäftigten multinationaler Unternehmen in ganz Europa. Um dies ausüben zu können, muss er in der Lage sein, mit den ArbeitnehmervertreterInnen (in speziellen Fällen auch direkt mit den Beschäftigten) in den verschiedenen Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist, zu kommunizieren und zu diskutieren. Wenn es eine Vertraulichkeitsverpflichtung gibt, die den EBR-Mitgliedern dies verbietet, wird der EBR ernsthaft geschwächt.

In der jeweiligen EBR-Vereinbarung sollten daher spezifische Regelungen für den Informationsaustausch zwischen dem EBR und den lokalen Beschäftigtenvertretungen vereinbart werden. Dabei sollte die Unterrichtung und Anhörung der verschiedenen Ebenen der ArbeitnehmerInnenvertretung gleichzeitig, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes bzw. in koordinierter Weise festgehalten werden.