Zum Hauptinhalt wechseln

Finnland: Mitte-Rechts-Regierung plant herbe Einschnitte in Arbeitsrecht und Sozialsystem

Einschränkungen des Streikrechts sollen Kampfmaßnahmen erschweren

Nach den finnischen Parlamentswahlen im April 2023 wurde die amtierende Mitte-Links-Koalition durch eine Mitte-Rechts-Regierung abgelöst, die vom konservativen Premierminister Petteri Orpo angeführt wird. Das Programm der Vier-Parteien-Regierung sieht tiefe Einschnitte in die finnische Arbeitsgesetzgebung sowie ins Sozialsystem vor.

Einschränkungen des Streikrechts bereits in Kraft

Um erwartbaren Widerstand gegen die geplanten Eingriffe vorzubeugen, hat die Regierung zunächst einen umfassenden Angriff auf das Streikrecht der Beschäftigten gestartet. Maßnahmen zur Verhinderung von Arbeitskämpfen sind bereits mit Herbst 2023 in Kraft getreten. Diese sehen vor, dass sogenannte „politische“ Streiks künftig nicht länger als einen Tag andauern dürfen. Solidaritätsstreiks, zur Unterstützung von Kolleg:innen anderer Branchen, hat man eingeschränkt. Werden Streiks für „illegal“ befunden, drohen Einzelnen Strafzahlungen in Höhe von 200 Euro, Gewerkschaftsorganisationen müssen mit Sanktionen von bis zu 150 000 Euro rechnen. 

Mit der Einschränkung des Streikrechts zu Beginn der Reformvorhaben, hofft die Regierung den Protest der Beschäftigten eindämmen zu können und versucht die Gewerkschaftsbewegung durch diesen Angriff auf ein demokratisches Grundrecht entscheidend zu schwächen.

Das Arbeitsprogramm der Regierung sieht folglich weitere einschneidende Maßnahmen in das Arbeitsrecht sowie ins Sozialsystem vor:

Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse

Die finnische Regierung plant, befristete Arbeitsverträge künftig auch grundlos zu ermöglichen. Bei Kündigungen durch Arbeitgeber:innen soll die Kündigungsfrist auf lediglich eine Woche reduziert werden. Entlassungen will man auch ohne Angabe von Gründen für zulässig erklären. Der erste Tag im Krankenstand soll laut Regierungsprogramm in Zukunft unbezahlt sein.

Kollektive Vereinbarungen eindämmen und betriebliche Gewerkschaftsvertreter:innen schwächen

Die Regierung plant die Allgemeinverbindlichkeit kollektiver Vereinbarungen (auf Branchen- und Betriebsebene) insgesamt zurückzudrängen. Künftig sollen Abkommen auf Unternehmensebene auch ohne die Mitwirkung betrieblicher Gewerkschaftsvertreter:innen abgeschlossen werden können. Darüber hinaus soll eine gesetzliche Regelung in Kraft treten, die es Beschäftigten verunmöglicht, individuell bessere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, als die gesetzlichen Regelungen vorsehen.

Die finnischen Gewerkschaften erwarten durch diese Maßnahmen ein massives Ungleichgewicht zugunsten der Arbeitgeber:innen. 

Kürzungen von Sozialleistungen

Um einkommensabhängiges Arbeitslosengeld beziehen zu können, will man die Frist für die vorherige Beschäftigungsdauer auf 12 Monate verlängern. Bei Erhalt des einkommensbezogenen Arbeitslosengeldes sind künftig empfindliche Einschnitte vorgesehen. Nach achtwöchiger Bezugsdauer soll der Anspruch um 20% reduziert werden. Für Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte will man den Zugang zum einkommensbezogenen Arbeitslosengeld insgesamt erschweren. 

Zusätzliche Leistungen für ältere Arbeitnehmer:innen sollen gänzlich gestrichen werden. Die geplante Abschaffung der Kinderzuschläge beim Arbeitslosengeld wird zu einem drastischen Anstieg der Kinderarmut führen. Zulagen für Fort- und Weiterbildungen sollen ebenso gestrichen werden.

Finnische Gewerkschaftsbewegung reagiert mit Kampf- und Protestmaßnahmen

In Finnland gibt es drei Gewerkschaftsdachverbände (SAK, AKAVA und STTK), die sich nach der Beschäftigungsart ihrer Mitglieder unterscheiden (Arbeiter:innen, Fach- und Führungskräfte sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes). Alle drei Dachverbände haben diverse Maßnahmen gegen die Politik der Regierung geplant und auch bereits umgesetzt. Dazu gehören verschiedene Arbeitskampfmaßnahmen, die sich über einen dreiwöchigen Zeitraum zogen, aber auch einzelne Protestformen, die von Arbeitsniederlegungen bis zu Demonstrationen reichten.

Fast 5500 betriebliche Gewerkschaftsvertreter:innen, die mehr als 500 000 Mitglieder des Gewerkschaftsbundes SAK vertreten, übergaben am 17. Oktober eine Petition an die Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien. In dieser legten sie die Bedenken der Beschäftigten über die von der Regierung geplanten Einschnitte dar.

Der Gewerkschaftsbund STTK und seine Mitgliedsgewerkschaften veranstalten am 18. November eine Demonstration gegen die Regierungsmaßnahmen.

Für den November haben die Dachverbände zahlreiche weitere Maßnahmen angekündigt.

Gewerkschaft GPA: Volle Solidarität mit den Beschäftigten in Finnland

Als Gewerkschaft GPA sichern wir der finnischen Gewerkschaftsbewegung unsere volle Solidarität im Kampf gegen diese massiven Angriffe seitens der Regierung zu. Die geplanten Einschnitte im Arbeitsrecht als auch im Sozialsystem werden mit katastrophalen Folgen für die Beschäftigten und das soziale Gefüge im Land einhergehen. Insbesondere die Einschränkungen des Streikrechts, die auch in anderen Ländern Europas bemerkbar sind, bedeuten einen Angriff auf die Demokratie und stellen die Gewerkschaftsbewegung vor neue Herausforderungen. Gemeinsam werden wir die Rechte der Beschäftigten stets verteidigen, auch über Ländergrenzen hinweg.