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Gemeinsam. Europa wieder stark machen

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft von 1. Juli bis 31. Dezember 2020 wird ganz im Zeichen der Überwindung der COVID-19 Pandemie stehen. Das Hauptaugenmerk dabei liegt auf der wirtschaftlichen Erholung, der sozialen Absicherung sowie dem Ausbau der Innovationskraft in ganz Europa. Dies soll durch ein umfangreiches Wiederaufbauinstrument für die europäische Wirtschaft (Recovery Fund), das vor allem im Zeichen eines nachhaltigen grünen und digitalen Aufschwungs stehen soll, gelingen.

Im Programm werden aber auch wichtige sozial- und arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte, wie die Entwicklung europäischer Mindeststandards bei Grundsicherungssystemen, die Sorgfaltspflicht bei globalen Lieferketten oder faire Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie gesetzt.

Ebenfalls im Mittelpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft werden der Abschluss der Verhandlungen rund um den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) sowie zum künftigen Verhältnis mit den Vereinigten Königreich stehen. 

Gemeinsame europäische Antwort auf die Corona-Pandemie

Die deutsche Ratspräsidentschaft strebt einen gemeinsamen und koordinierten europäischen Weg aus der Corona-Pandemie an. Dazu soll es ein koordiniertes Krisenmanagement zur Eindämmung des Virus auf europäischer Ebene geben. Einschränkungen des Binnenmarktes sowie des Schengenraumes sollen aufgehoben werden und der EU-Außengrenzschutz soll zum Vorkrisenmodus zurückkehren. 

Um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19 Pandemie bewältigen zu können, soll eine nachhaltige und inklusive Wachstumsstrategie verfolgt werden. Diese soll eine wirtschaftliche Erholung, den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie eine soziale Absicherung für die Menschen beinhalten und auf Basis des Europäischen Grünen Deals sowie der digitalen Transformation fußen. Dazu soll ein zeitlich begrenztes und inhaltlich fokussiertes Aufbauinstrument (Recovery Fund), eingebettet in den MFR und umgesetzt im Rahmen des Europäischen Semesters, auf den Weg gebracht werden. 

Europäische Mindeststandards für nationale Grundsicherungssysteme

Deutschland will jene Grundsätze der Europäischen Säule sozialer Rechte (EPSR) rasch und konsequent umsetzen, die für die Krisenbewältigung relevant sind. Dazu wird neben dem Europäischen Mindestlohn vor allem ein EU-Rahmen für nationale Grundsicherungssysteme genannt. Dieser Rahmen soll den Menschen ein Mindestmaß an Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung überall in Europa ermöglichen und die Wiedereingliederung Beschäftigter in den Arbeitsmarkt erleichtern. 

Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit sollen auf Basis eines handlungsfähigen Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) bekämpft werden. Positiv hervorzuheben ist, dass die Stärkung der Rolle der Sozialpartnerschaft dabei ebenfalls angeführt wird.

Sorgfaltspflicht bei globalen Lieferketten 

Die COVID-19 Pandemie hat gezeigt, wie instabil und anfällig globale Lieferketten besonders in Krisenzeiten sind. Als einer der größten Wirtschaftsräume der Welt hat die EU eine Verantwortung, stabile Produktions- und Versorgungsketten sicherzustellen und Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten zu unterbinden. Die Corona-Pandemie hat jedoch klargemacht, dass genau diese Sorgfaltspflicht im Hinblick auf menschenrechtliche, soziale und ökologische Risiken in den globalen Lieferketten fehlt. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft setzt sich daher für eine stärkere Unternehmensverantwortung bei globalen Lieferketten durch einen neuen EU-Aktionsplan ein. Dieser soll Menschenrechte, soziale und ökologische Standards sowie Transparenz fördern und die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Corona-Krise berücksichtigen.

Als Gewerkschaften setzen wir uns auf unterschiedlichen politischen Ebenen dafür ein, gesetzliche Regelungen zur Sorgfaltspflicht europäischer Unternehmen zu schaffen. Aktivitäten europäischer Konzerne müssen innerhalb und außerhalb des EU-Binnenmarktes fundamentale Menschen- und Gewerkschaftsrechte respektieren. Dies muss für alle Tochter- und Subunternehmen gleichermaßen gelten. Dieser Vorstoß der deutschen Ratspräsidentschaft ist daher aus gewerkschaftlicher Sicht jedenfalls unterstützenswert. Es wird jedoch von der konkreten Ausgestaltung abhängig sein, ob damit die Sorgfaltspflicht europäischer Konzerne weltweit durchgesetzt werden kann.

Weiterbildung für Beschäftigte und faire Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie

Die Arbeitsmärkte in der EU sind aufgrund von Digitalisierung und Ökologisierung mit neuen Technologien und strukturellem Wandel konfrontiert. Die Corona-Krise hat diesen Wandel noch weiter beschleunigt. Im Programm der deutschen Ratspräsidentschaft sind deshalb Umschulungen und Weiterbildungen für Beschäftigte die zentralen arbeitsmarktpolitischen Antworten auf diesen Strukturwandel. Man bekennt sich auch dazu, dass technischer Fortschritt Hand in Hand mit sozialem Fortschritt einhergehen muss.

Mit Blick auf die grenzüberschreitenden Geschäftsmodelle der Plattformökonomie ist im Programm von europäischen Regelungen zum Schutz der Beschäftigten die Rede. Diese sollen in Ergänzung zu den jeweiligen nationalen Regelungen zur Anwendung kommen. Ein neuer europäischer Ordnungsrahmen soll für den sicheren Einsatz künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz sorgen. Der Fokus soll hierbei vor allem auf Transparenz, einheitlichen Wettbewerbsbedingungen, sozialer Sicherheit und fairen Arbeitsbedingungen für Solo-Selbständige liegen.