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Globalisierung und Menschenrechte: Frankreich Vorreiter

Frankreich beschließt historisches Gesetz zur Sorgfaltspflicht multinationaler Konzerne

Im Jahr 2013 ist in Bangladesch das Gebäude der Fabrik Rana Plaza eingestürzt. Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter, die für europäische Textilhersteller produzierten, kamen dabei ums Leben. Die betroffenen transnationalen Unternehmen weigern sich zum Teil bis heute, eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Sie schoben die Verantwortung auf die mangelnden lokalen Vorschriften. Dieses dramatische Ereignis setzte in Frankreich den Prozess für die Schaffung eines verbindlichen Gesetzes zur Sorgfaltspflicht transnationaler Unternehmen in Gang.

Das französische Gesetz: ein verpflichtender „Sorgfaltsplan“

Nach langem hin und her hat das französische Parlament Anfang 2017 ein Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichte verabschiedet, das in Europa bislang einmalig ist. Bei der Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte wurde damit ein echter Meilenstein in Richtung Verbindlichkeit sozialer Unternehmensverantwortung gesetzt, zumindest in Frankreich gibt es nun klare Instrumente.

  • In Zukunft müssen in Frankreich ansässige Aktiengesellschaften mit mindestens 5.000 Beschäftigten in Frankreich oder 10.000 Beschäftigten weltweit nach verbindlichen und transparenten Regeln einen sog. Sorgfaltsplan ("plan de vigilance"), verabschieden.
  • Der Plan soll die Menschenrechts- und Umweltrisiken der unternehmerischen Tätigkeit identifizieren und Vorkehrungen zu ihrer Vermeidung festlegen.
  • Konkret müssen diese Maßnahmen geeignet sein, „die Gefahr des Eintritts von Menschenrechts- und Grundrechtsverletzungen, von schweren körperlichen Schäden und Umweltschäden sowie von Gesundheitsgefahren zu identifizieren, die aufgrund von Aktivitäten der Gesellschaft selbst oder von Gesellschaften entstehen, welche sie kontrollieren, bzw. aufgrund von Tätigkeiten ihrer Subunternehmer und Zulieferer, auf die sie bestimmenden Einfluss haben.
  • Der Plan ist zu veröffentlichen und in den jährlichen Geschäftsbericht von Verwaltungsrat bzw. Vorstand an die Aktionärsversammlung der Gesellschaft zu integrieren.
  • Wenn ein Unternehmen keinen solchen Plan aufstellt, kann die Vorlegung eines solchen gerichtlich eingeklagt werden. Im Fall von Verfehlungen kann es zu empfindlichen Haftungsklagen kommen. Klagen kann jede Person, die ein begründetes Interesse hat.
  • Das Gesetz bezieht auch die Aktivitäten von Tochtergesellschaften und unabhängigen Zulieferbetrieben in anderen Ländern mit ein und legt fest, dass die nationalen Unternehmen auch für das Verhalten ihrer Zulieferer Verantwortung tragen.
  • Die französische Regierung geht damit einen neuen Weg, um Menschenrechten in globalen Wirtschaftsketten zum Durchbruch zu verhelfen – nicht nur in den betroffenen Unternehmen, sondern auch entlang der kontrollierten Lieferketten.

Nachziehen anderer Staaten gefordert

Obgleich abzuwarten bleibt, wie eine unternehmerische Verletzung der Sorgfaltspflicht entsprechend dieser Rechtslage letztlich juristisch ausgelegt werden wird, bleibt festzuhalten, dass hier ein echter Meilenstein gesetzt wurde. Denn bislang setzen die meisten Regierungen nur auf freiwillige Zusagen und Transparenz durch Wirtschaftsakteure.
Andere OECD-Länder, v.a. auch in der EU, sollten sich hier ein Beispiel nehmen.

  • In Großbritannien,  Niederlande, Dänemark und Finnland gibt es bereits nationale Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien vorgelegt haben.
  • In Deutschland wird ein solcher derzeit erarbeitet und dabei auch die Einführung gesetzlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen geprüft.
  • Darüber in anderen Ländern, wie etwa der Schweiz einschlägige Initiativen zunehmend auch in der Politik diskutiert werden.
  • Österreich steht hier mit anderen Industrieländern bedauerlicherweise ziemlich im Abseits: Bislang wurde hierzulange nicht einmal ein „Nationaler Aktionsplan“ zur Umsetzung der 2011 vom  UN-Menschenrechtsrat verabschiedeten  UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte aufgesetzt. Alle  Vorgaben zur sog. Corporate Social Responsibility (CSR) verbleiben auf Ebene der Freiwilligkeit.

Ohne Zweifel hat Frankreich mit der Verabschiedung des Gesetzes einen großen Schritt gemacht hin zu einer besseren Regulierung der Aktivitäten europäischer Unternehmen in Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Wirtschaft an der Tagesordnung sind.
Das neue Gesetz in Frankreich zeigt aber auch in aller Deutlichkeit, wie sehr Österreich und andere Staaten in diesem Themenbereich im Rückstand liegen. Von einer Haftung von in Österreich ansässigen Unternehmen für ihr Verhalten im Ausland gibt es demgegenüber bislang keine Spur.
Es muss in diesem Sinn als Vorbild dienen. Es zeigt, dass dieser Schritt möglich ist und wiederlegt ein gängiges Argument, wonach kein Land in diesem Bereich den ersten Schritt machen kann. Da kann man nur sagen „Vive la France – andere müssen folgen.“