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Schwedische EU-Ratspräsidentschaft: Gewerkschaften legen eigene Prioritäten vor

Von 1. Jänner bis 30. Juni hat Schweden die EU-Ratspräsidentschaft inne. Dem Land wird dabei nicht nur die Aufgabe zuteil, aktuelle europapolitische Herausforderungen zu bewältigen, sondern es kann auch individuelle Schwerpunkte setzen und dadurch die politische Agenda in eine gewünschte Richtung vorantreiben. Die schwedische Gewerkschaftsbewegung sieht im Programm der Regierung lediglich minimalistische Ansätze, was die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik betrifft und nur schwache Botschaften in Richtung eines stärkeren sozialen Dialogs.

Ukraine-Krieg, Wettbewerbsfähigkeit und Energiewende bestimmen Agenda

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen für Mensch und Wirtschaft bestimmen die Agenda der schwedischen Präsidentschaft maßgeblich. Der ökonomischen und militärischen Hilfe der Ukraine wird oberste Priorität eingeräumt. Zudem soll das Land am Weg in die EU-Mitgliedschaft bestmöglich unterstützt werden.

Um das Wirtschaftswachstum in der EU zu fördern und die globale Stellung Europas als größten Binnenmarkt der Welt sicherzustellen, soll eine umfassende Strategie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erarbeitet werden.

In der Vergangenheit war mit einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit weitgehend ein neoliberaler Ansatz verbunden, bei dem die Partikularinteressen der Wirtschaft im Vordergrund standen und faire Löhne sowie funktionierende Sozialsysteme als Wettbewerbsnachteil angesehen wurden. Mit Blick auf die liberal-konservative schwedische Regierung kann davon ausgegangen werden, dass ein neoliberales Wettbewerbsdogma die Grundlage dieser Strategie sein wird.

Zur Bekämpfung der hohen und volatilen Energiepreise will Schweden kurzfristige Maßnahmen erarbeiten und langfristig eine Überarbeitung des Energiemarktes anstreben.

Eine umfassende Reform des Energiemarktes wurde bereits für Anfang 2023 von der EU-Kommission angekündigt. Es ist also höchst an der Zeit, diese Maßnahmen nun endlich umzusetzen.

Sozial- und Arbeitsmarktpolitik: Fortführung einzelner Gesetzesinitiativen, keine neuen Akzente

Weder in der Rede des schwedischen Premierministers zum EU-Ratsvorsitz im europäischen Parlament noch in den Prioritäten des Programms finden Arbeitsmarktpolitik oder der soziale Dialog Erwähnung.

Die schwedische Regierung beschränkt sich in ihren sozialpolitischen Aktivitäten lediglich auf die Fortführung bereits gestarteter Initiativen. Darunter fallen der Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen oder die Verhandlungen mit dem EU-Parlament über die Verordnung zu künstlicher Intelligenz. Gar keine Erwähnung findet die Fortführung des Richtlinienvorschlags zu mehr unternehmerischer Sorgfaltspflicht entlang globaler Lieferketten.

Schwedische Gewerkschaftsbünde formulieren ihre Prioritäten für die Ratspräsidentschaft

Aufgrund dieser minimalistischen Vorhaben in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben die drei schwedischen Gewerkschaftsbünde LO, TCO und SACO ihre Prioritäten für die schwedische EU-Ratspräsidentschaft verfasst. Insbesondere die Stärkung des sozialen Dialoges und Qualifizierungsmaßnahen für Beschäftigte stehen dabei im Vordergrund:

Die EU-Kommission hat eine Initiative zur Stärkung des sozialen Dialoges angekündigt, die sich an die Kommission selbst, aber auch an die Mitgliedstaaten richtet. Konkret fordern die schwedischen Gewerkschaftsbünde im Zuge dieser Initiative einen neuen Fonds einzurichten. Damit soll der Auf- und Ausbau eines starken, unabhängigen und wirksamen sozialen Dialogs in jenen EU-Ländern aufgebaut und sichergestellt werden, die diese Unterstützung benötigen.

Die Funktionsfähigkeit des sozialen Dialogs soll künftig auch fixer Bestandteil des Europäischen Semesters werden und dadurch Eingang in die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission finden.

Angesichts des grünen und digitalen Wandels der Wirtschafts- und Arbeitswelt soll während der schwedischen Ratspräsidentschaft auf die Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten ein Hauptaugenmerk gelegt werden. Die Gewerkschaftsbünde fordern, dass den Mitgliedstaaten zusätzliche EU-Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden.