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Belgien, Portugal, Griechenland: Gewerkschaften wehren sich gegen rechte Regierungen

In mehreren europäischen Ländern gehen Beschäftigte diesen Herbst massenhaft auf die Straße. Sie wehren sich gegen Regierungen, die Arbeitsrechte aushöhlen, Sozialleistungen kürzen und gewerkschaftliche Mitbestimmung schwächen wollen. Ein Überblick.

Pixabay

140.000 Gewerkschafter:innen marschieren durch Brüssel, zehntausende durch Lissabon. In Athen und weiteren griechischen Städten legen Beschäftigte die Arbeit nieder. Der Herbst 2025 steht in einigen europäischen Ländern im Zeichen gewerkschaftlicher Mobilisierung. Der gemeinsame Anlass: Regierungen, die Arbeitnehmer:innenrechte beschneiden, Sozialleistungen kürzen und die Mitbestimmung schwächen wollen.

Belgien: Angriff auf das Sozialmodell

Die Koalition des nationalistischen Premiers Bart De Wever plant einen umfassenden Umbau des belgischen Arbeitsmarktmodells und Sozialstaats. Konkret: Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67, de-facto Abschaffung von Überstundenzuschlägen, massive Liberalisierung von Nachtarbeit, Abschaffung des Günstigkeitsprinzips. Die Regierung will außerdem das Streikrecht einschränken und die Rolle der Gewerkschaften im sozialen Dialog schwächen.

Die belgischen Gewerkschaften reagierten mit der größten Mobilisierung seit über einem Jahrzehnt: Am 14. Oktober demonstrierten 140.000 Menschen in Brüssel. Weitere Streiktage folgen am 24., 25. und 26. November.

Portugal: Reform zugunsten der Unternehmen

Die geplante Reform „Trabalho XXI“ („Arbeit 21“) der neuen Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Luís Montenegro könnte aus der Feder der Unternehmenslobby stammen. Man will Kündigungen erleichtern, Mutterschutz schwächen, Outsourcing von Abteilungen hin zu prekären Dienstleistungsanbietern erleichtern. Die Gewerkschaften warnen: Das Gesetz höhlt Kollektivverträge aus und zementiert prekäre Beschäftigung.

Am 8. November demonstrierten Zehntausende in Lissabon, die Gewerkschaft CGTP spricht sogar von 100.000 Teilnehmer:innen. Für Dezember haben die beiden großen Gewerkschaftsbünde UGT und CGTP den ersten gemeinsamen Generalstreik seit zwölf Jahren angekündigt.

Griechenland: Kampf gegen den 13-Stunden-Tag

Die rechts-konservative Regierung Mitsotakis II will das Arbeitsrecht flexibilisieren. Den Kernpunkt bildet dabei die Ausweitung der Arbeitszeit, die Arbeitstage von bis zu 13 Stunden ermöglicht. Die Gewerkschaften verweisen auf eine bezeichnende Statistik: Griechische Beschäftigte arbeiten bereits jetzt 200-300 Stunden mehr pro Jahr als der europäische Durchschnitt. Die Reform würde bestehende Missstände also nicht beheben, sondern gesetzlich festschreiben.

Am 1. Oktober legte der bereits vierte Generalstreik des Jahres das Land lahm. Ärzte, Lehrer:innen, Beschäftigte von Häfen und Verkehrsbetrieben streikten in 73 Städten, Fähren blieben in den Häfen, Züge standen still. Am 14. Oktober folgte ein weiterer landesweiter Streik.

Österreich: Pausentaste gedrückt

Die Länder sind verschieden, die Regierungskonstellationen unterschiedlich – doch die Stoßrichtung ist überall gleich: Flexibilisierung der Arbeitszeit zulasten der Beschäftigten, Schwächung von Kollektivverträgen, Kürzungen bei Sozialleistungen und Pensionen.

Mit dem Scheitern der Verhandlungen für eine FPÖ-geführte Koalition wurde in Österreich vorerst der Pausenknopf für ähnliche Entwicklungen gedrückt. Das FPÖ-Programm sah grundlegende Angriffe auf die Sozialpartnerschaft vor – jenes Modell, das Österreich seit Jahrzehnten soziale Stabilität und wirtschaftlichen Ausgleich sichert.

Die Erinnerung an die letzte FPÖ-Regierungsbeteiligung ist noch frisch: 12-Stunden-Tag, Ende der „Aktion 20.000“, geplante Abschaffung von Jugendvertrauensräten, „Marketing-Gag“ Patientenmilliarde…

Warum Gewerkschaften einen Unterschied machen

Gewerkschaften und Betriebsräte erreichen Menschen dort, wo politische Entscheidungen konkret spürbar werden: am Arbeitsplatz. Dort zeigt sich, ob Löhne zum Leben reichen, ob Arbeitszeiten mit dem Familienleben vereinbar sind, ob Kündigungsschutz greift oder nicht. Diese Nähe zu Arbeits- und damit Lebensrealitäten macht Gewerkschaftsarbeit so wirksam. Die Proteste in Belgien, Portugal und Griechenland zeigen: Wenn Arbeitnehmer:innenrechte unter Druck geraten, kann gewerkschaftlicher Widerstand den Unterschied machen.