Zum Hauptinhalt wechseln

Das „28. Regime“ oder „Endlich mehr Lohn- und Sozialdumping!“

Unter einigen brauchbaren Initiativen im Arbeitsprogramm 2026 hat die EU-Kommission von der Leyen II auf ihr scheinbares Ziel nicht vergessen: Freundschaftsdienste für Unternehmer:innen, die nicht an nachhaltigen und sozial verträglichen Lösungen interessiert sind. An diverse Deregulierungsvorhaben reiht sich nun das sogenannte 28. Regime – eine EU-weite Unternehmensrechtsform.

Unsplash / Sean Pollock

Die Kernidee klingt durchaus interessant: Innovativen Unternehmen soll die Arbeit erleichtert werden, indem sie sich an einheitliche EU-Regeln statt an 27 verschiedene nationale Vorschriften halten müssen. Die bisherige Debatte zeigt aber, dass aus früheren derartigen Vorhaben, konkret aus der Europäischen Aktiengesellschaft SE, SPE und SUP (SPE und SUP sind schon im Entwurfsstadium gescheitert) keinerlei Lehren gezogen wurden.

Immer zweifelhaft: Änderungen ohne vorherige Evaluierung

Es fehlen Absicherungen von Arbeitnehmer:innenrechten, Sicherheiten durch vernünftig angesetztes Mindestkapital und Vorschriften gegen „Shelf-Unternehmen“. Zusätzlich ist die Kommission hier im Begriff, Vorschriften betreffend Digitalisierung von Unternehmen abzuändern, bevor sie überhaupt evaluiert werden konnten. Die erst im Jänner 2025 veröffentlichte Digitalisierungsrichtlinie II muss bis Juli 2027 umgesetzt werden und verfolgt bereits genau jene Ziele, die das 28. Regime angeblich erreichen will. Auch in Österreich wurden Maßnahmen getroffen: Online-Gründungen über das Unternehmensserviceportal (USP), notarielle Amtshandlungen mittels qualifizierter Videokonferenz oder die Frist von fünf Arbeitstagen für die erstmalige Eintragung im Firmenbuch. Der Bedarf für ein 28. Regime? Nicht vorhanden.

Freifahrtschein für Lohn- und Sozialdumping

Konzerne könnten dieses Regime nutzen, um nationales Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Kollektivverträge systematisch zu umgehen. Es wäre ein Freifahrtschein für Lohn- und Sozialdumping im großen Stil. Auch wenn die Kommission stets betont, dass das Regime vor allem Start-ups fördern soll – letztlich kann kein Unternehmen davon ausgeschlossen werden. Die österreichische Erfahrung mit der Flexiblen Kapitalgesellschaft zeigt deutlich: Was als Rechtsform für Start-ups angekündigt wurde, steht am Ende allen Unternehmen offen – auch jenen, die unter Innovation in erster Linie die Vermeidung von Standards verstehen.

Innovation ist möglich, geht aber anders

Europa steht in der Welt nicht allein und kann sich an bestehenden Beispielen orientieren. Die Volksrepublik China hat in den vergangenen 20 Jahren eine enorme und nach wie vor andauernde Entwicklung durchlebt, die sie zur Weltführerin bei der Forschung zu 57 von 64 weltweit definierten Schlüsseltechnologien gemacht hat. Dort führten grob zusammengefasst drei Faktoren zum Erfolg: Erstens, Kooperation zwischen verschiedenen Akteur:innen in der „prä-kompetitiven“ Phase, die Innovation fördert, bevor man sich anschließend am Markt wieder in Konkurrenz gegenübersteht. Zweitens braucht es offenen Wissensaustausch in der Grundlagenforschung, beispielsweise über eigens dafür geschaffene digitale Plattformen. Drittens kommt dem Staat die Rolle zu, institutionelle Rahmenbedingungen zu schaffen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, etwa durch die Finanzierung von Pilotprojekten.

Diese Elemente lassen sich auch in demokratischen Gesellschaften wie unserer umsetzen – ohne dabei Arbeitnehmer:innenrechte zu opfern. Das Rad ist bereits erfunden, es muss jetzt angepasst werden.

Gewerkschaften: Innovation ja, aber nicht auf Kosten der Beschäftigten!

Die Faktenlage ist klar: Ein 28. Regime wie es derzeit im Raum steht, ist weder notwendig noch zielführend. Sehr wohl ist es ein Risiko für die Beschäftigten in Europa und eine Bremse für die europäische Wettbewerbsfähigkeit, weil es Maßnahmen, die echte Innovation fördern, verlangsamt.

Die Gewerkschaft GPA verfolgt diese Angelegenheit genau und tritt mit den europäischen Gewerkschaften und anderen Verbündeten wie Arbeiterkammer und Mitgliedern des Europäischen Parlaments intensiv gegen jede Verschlechterung ein. Für uns ist klar: Wenn ein derartiges 28. Regime wirklich eingeführt werden darf, dann ausschließlich unter Einhaltung von europäischem und nationalem Arbeits- und Steuerrecht, denn Innovation darf nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen.