Digital Omnibus: Wenn „Vereinfachung" zur Missverwaltung wird
Am 19. November 2025 hat die EU-Kommission den sogenannten Digital Omnibus vorgestellt – ein Gesetzespaket, das gleichzeitig die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die KI-Verordnung, den Data Act, die NIS2-Richtlinie zur Cybersicherheit und die ePrivacy-Richtlinie ändern soll. Offiziell geht es um „Bürokratieabbau“ und „Vereinfachung“. Tatsächlich steht eine systematische Schwächung digitaler Schutzrechte auf dem Programm, die auch Mitbestimmung von Betriebsräten und Gewerkschaften betrifft.
Interessen von US-Konzernen trumpfen europäische Bedürfnisse
Der Digital Omnibus kommt nicht zufällig. Er ist eine Reaktion auf den Draghi-Bericht, der eine „radikale Vereinfachung“ u.a. der DSGVO fordert. Druck wird außerdem von den USA und der Regierung Trump 2 ausgeübt, die mit der Erhöhung von Zöllen droht, um bestimmte Maßnahmen zu erzwingen. Schon beim EU-USA-Trade-Deal war im Kleingedruckten vom Abbau „nicht-tarifärer Hemmnisse“ im digitalen Bereich die Rede. Mit dem Omnibus wird dieses Versprechen nun eingelöst.
Die Lobbymacht der Tech-Konzerne zeigt gerade ihre volle Wirkung: Die Digitalindustrie investiert rund 150 Millionen Euro in die Brüsseler Lobby und beschäftigt über 900 Vollzeitlobbyist:innen zur Durchsetzung ihrer Interessen.
Omnibusse: Missverwaltung und Deregulierung statt Vereinfachung
„Einfache Regeln“ machen so wenige Vorschriften wie möglich, aber so viele wie nötig. Der Digital Omnibus hält sich nicht an dieses Prinzip. Hier werden Gesetze geändert, die noch nicht vollständig umgesetzt waren und deren Evaluierung nicht abgewartet wurde. Die DSGVO-Evaluierung stand beispielsweise kurz bevor – nämlich in der ersten Jahreshälfte 2026 im Rahmen des „Digital Policy Fitness Checks“.
EU-Gesetze haben meist im Voraus geplante mehrstufige Evaluierungsverfahren, die aber bei den „Omnibussen“ systematisch übergangen werden. Die EU-Ombudsfrau Teresa Anjinho sieht hier klare Verfahrensmängel und bezeichnet diese Vorgehensweise der Kommission bereits als „Maladministration“.
Betriebliche Mitbestimmung wird systematisch geschwächt
Die geplanten DSGVO-Änderungen greifen direkt in die betriebliche Mitbestimmung ein. Mit dem Umgehungsinstrument des „berechtigten Interesses“ werden nicht nur die Rechte einzelner Personen auf ihre Daten eingeschränkt, sondern auch die Möglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaften, für ihre Kolleg:innen und Mitglieder einzutreten.
Zusätzlich werden Transparenzpflichten reduziert. Betriebsräte sollen KI-Systeme bewerten, bekommen aber weniger Einblick in deren Funktionsweise. Die Folge: Mitbestimmung existiert formal weiter, wird aber praktisch weitgehend wirkungslos. Eine detaillierte Analyse gibt es hier.
Wessen Nutzen?
Für europäische Unternehmen werden keine relevanten Hürden beseitigt, vielmehr werden Beschäftigte und Konsument:innen ihrer Rechte beraubt, ohne dass es einen gleichwertigen Nutzen auf anderer Seite gäbe. Die gerne ins Treffen geführte Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen wird auch nicht gestärkt, da vor allem US-Big-Tech-Konzerne profitieren.
Es gibt Alternativen – die EU-Kommission ignoriert sie
Die Kommission behauptet, nur Deregulierung könne Europa im KI-Wettbewerb halten und ignoriert dabei, konstruktive Vorschläge, die bereits existieren:
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss forderte im Jänner 2025 explizit „arbeitnehmer:innenfreundliche KI“. Zentral dabei:
- Sozialer Dialog
- Einbindung von Gewerkschaften und Betriebsräten
- Human-in-Control-Prinzip: menschliche Kontrolle bei Mensch-Maschine-Interaktionen
Statt diese Ansätze zu stärken, geht die Kommission den entgegengesetzten Weg: weniger Schutz, weniger Mitbestimmung, weniger Transparenz.
Gemeinsam (gewerkschaftlichen) Druck aufbauen
Noch ist nicht aller Tage Abend: die Kommission hat ihren Vorschlag präsentiert, im nächsten Schritt wird er im Parlament und im EU-Minister:innenrat diskutiert. Sozialdemokrat:innen, Grüne und Liberale im EU-Parlament haben bereits Kritik geäußert. Über 120 zivilgesellschaftliche Organisationen protestieren gegen das Vorhaben.
Die GPA kämpft gemeinsam mit den europäischen Gewerkschaften dafür, dass der Digital Omnibus nicht zur Entmachtung von Betriebsräten führt. Digitalisierung und KI dürfen nicht gegen Beschäftigte eingesetzt werden, sondern müssen demokratisch gestaltet werden – mit echten Mitbestimmungsrechten, nicht nur auf dem Papier. Wir fordern die österreichischen EU-Abgeordneten auf, sich im Parlament klar gegen die Schwächung digitaler Schutzrechte zu positionieren. Die Interessen von Beschäftigten müssen Vorrang vor den Präferenzen der Tech-Konzerne haben.