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Jede:r hat das Recht auf Abschalten!

Diese Wochen haben wir im Europäischen Parlament das Recht auf Abschalten, das „Right to Disconnect“, mit der Kommission diskutiert. Vor drei Jahren hat das EU-Parlament in einer Resolution die Kommission aufgefordert, ein Gesetz, dass das Recht auf Nichterreichbarkeit der Arbeitnehmer:innen sicherstellen soll, auf den Weg zu bringen. Insbesondere die Covid-Pandemie, der Wandel des Arbeitsmarkts und die vermehrten Home Office-Möglichkeiten, in Sektoren, wo es möglich ist, haben dafür den Auslöser gegeben.

Luiza Puiu

Die Pandemie hat den europäischen Arbeitsmarkt bis heute nachhaltig verändert. Viele Leute arbeiten nach wie vor von Zuhause, auch weil uns der digitale Wandel die technischen Möglichkeiten dafür bereitgestellt hat. Das Versprechen, das sich viele Menschen von dieser Flexibilität machen, ist ein Zeitgewinn: weniger Zeit auf dem Arbeitsweg, mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbys. In der Fünf-Minuten-Kaffeepause wird die Waschmaschine eingeschaltet oder das Abendessen bereits aufgesetzt. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen - in beide Richtungen: Was zunächst nach einem großen Gewinn klingt, bringt aber auch große Risiken mit sich. Ohne eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sind viele Arbeitnehmer:innen quasi dauererreichbar. Sie fühlen sich ständig der Arbeit verpflichtet, auch weit nach den regulären Arbeitszeiten.

Eine langjährige Forderung von Gewerkschaften ist eine gute Work-Life-Balance

Manche EU-Staaten haben das „Right to Disconnect“ bereits nationalstaatlich geregelt: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Spanien und Portugal. Diverse Studien zeigen, das Recht auf Abschalten ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen. Wo eine gute Work-Life-Balance herrscht, ist die Produktivität in Unternehmen höher, es gibt weniger krankheitsbedingte Ausfälle und die Motivation der Arbeitnehmer:innen ist höher.  Deswegen setze ich mich dafür ein, dass es dieses Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten geben soll. Die Kommission hat nach der Resolution des EU-Parlaments den Ball an die Europäischen Sozialpartner:innen gespielt, die einen Text auf branchenübergreifender Ebene aushandeln hätten sollen. Es war ein großer Rückschlag, als sich die Arbeitgeber:innen nach über einem Jahr und 15 Verhandlungsrunden Ende November 2023 vom Sozialpartner:innen-Verhandlungstisch entfernten. Der luxemburgische sozialdemokratische Kommissar Nicolas Schmit, der in der Kommission für die Themen Beschäftigung und Soziales zuständig ist, zeigte seine Enttäuschung über den Verhandlungsabbruch, blieb aber weiter zuversichtlich: viel Vorarbeit wurde von den Sozialpartner:innen geleistet, auf die die Kommission weiter aufbauen werde, um einen Gesetzesvorschlag so rasch wie möglich zu erarbeiten.  Viel Zeit bleibt der Kommission leider dazu nicht mehr. Im Juni 2024 stehen die EU-Wahlen an und auch in der nächsten Legislaturperiode braucht es ein starkes Parlament und eine Kommission mit progressiver Mehrheit, um weiterhin so viele gewerkschaftlich wichtige Themen erfolgreich verhandeln zu können.

Ein EU-weites “Recht auf Abschalten” ist mehr als ein wichtiges Zeichen gegen verschwommene Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben. Es ist ein wichtiger Schritt für die Gesundheit von Arbeitnehmer:innen.