EVP und Rechtsextreme vs. NGOs
Eine eigens geschaffene Arbeitsgruppe im EU-Parlament (EP) soll NGO-Finanzierung untersuchen, obwohl Rechnungsprüfer längst grünes Licht geben. Das betrifft auch Arbeitnehmer:innen.
Vom Boulevard ins Europäische Parlament
Ende 2024 berichtete die deutsche Zeitung „Welt am Sonntag“ über angebliche „geheime Verträge“ zwischen EU-Kommission und diversen NGOs zur Unterstützung des Green Deals. Konservative und rechte Abgeordnete griffen das Thema auf. Einen vollwertigen Untersuchungsausschuss konnten sie nicht durchsetzen, als Kompromisslösung aber die sogenannte Scrutiny Working Group. Untersuchen will man nur NGO-Finanzierung. Konzerne, Beratungs- und Lobbyfirmen arbeiten unbehelligt weiter.
FAQ zur Scrutiny Working Group über NGOs
Was ist eine „Scrutiny Working Group“?
Dabei handelt es sich um eine speziell eingesetzte Arbeitsgruppe im EP, grob vergleichbar mit Untersuchungsausschüssen im österreichischen Parlament. Dort werden Entscheidungsträger:innen und Akteur:innen der Politik vorgeladen und zu bestimmten Themen befragt.
Wann werden „Scrutiny Working Groups” normalerweise eingesetzt?
Solche Arbeitsgruppen gibt es im EU-Parlament normalerweise nur bei ausgewachsenen Skandalen, Beispiele sind Dieselgate, Panama Papers, Pegasus-Spyware oder Frontex.
Gibt es aktuell eine Grundlage für die NGO Scrutiny Working Group?
Nein, weder der Europäische Rechnungshof noch der Budgetkontrollausschuss haben Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Geldern gefunden. Trotzdem setzte die Europäische Volkspartei gemeinsam mit den rechtsextremen Patriots for Europe und der ECR-Fraktion die Arbeitsgruppe durch.
Keine Beweise, stattdessen Chaos und „Shame“
Die erste Sitzung der Arbeitsgruppe verlief chaotisch. Der Vorsitzende scheiterte am Etablieren einer grundlegenden Sitzungsdisziplin. Aus dem Plenum waren Rufe wie „Shame, Shame“ zu hören. Sozialdemokratische, Grüne und Renew Abgeordnete werfen der Europäischen Volkspartei vor, eine rechte „Hexenjagd“ ohne Beweise zu ermöglichen und kritische Zivilgesellschaft mundtot machen zu wollen. Aus Protest vor dieser Vorgehensweise verließen die meisten von ihnen die Sitzung.
Was das mit Arbeitsbedingungen zu tun hat
Die NGOs, die hier attackiert werden, sind zwar keine Gewerkschaften oder Organisationen, die sich ausschließlich mit den Interessen von Beschäftigten auseinandersetzen. Dennoch sind sie wichtige Verbündete: ClientEarth kämpft beispielsweise für saubere Luft, auch am Arbeitsplatz. Friends of the Earth fordert Schutz vor giftigen Chemikalien, auch in der Produktion.
Diese NGOs übernehmen Aufgaben, von denen Beschäftigte in ganz Europa direkt profitieren: Sie dokumentieren Datenschutzverstöße am Arbeitsplatz, decken Sozialdumping auf und setzen sich für eine gerechte ökologische Transformation ein.
Sogar die EU-Kommission räumt ein, dass sie auf diese Arbeit angewiesen ist: Durch Sparpolitik unterfinanzierte Behörden können diese Kontrollen nicht leisten.
Scheinheiligkeit per Arbeitsgruppe
Die gesamte Förderung für Umwelt-NGOs beträgt 15,6 Millionen Euro jährlich. Das mag nach viel klingen, ist aber nur 0,006 % des EU-Budgets. Zum Vergleich: Die 50 Unternehmen mit den höchsten Lobby-Budgets gaben 2024 fast 200 Millionen Euro für Einflussnahme in Brüssel aus. Dass diese von der Untersuchung ausgeschlossen werden, entlarvt die Scheinheiligkeit hinter der Debatte. Die einseitige Fokussierung auf NGOs versucht die Realität zu verzerren und das Machtungleichgewicht weiter zu Gunsten von Konzernen zu verschieben. Das erscheint besonders zynisch, da derzeit über verschiedene „Omnibusse“ EU-Gesetzgebung zur Bekämpfung des Klimawandels und zu Sicherheit im digitalen Raum weitgehend rückgebaut werden.
Ungarn, Slowakei und jetzt EP: Ein Muster
Diese Hetze gegen zivilgesellschaftliche Organisationen folgt einem Muster: In Ungarn brandmarkt die Regierung Orbán NGOs als „auslandsfinanzierte Agenten“ und schwächt gleichzeitig Gewerkschaften. In der Slowakei wurde 2025 ein ähnliches NGO-Gesetz verabschiedet und das Streikrecht eingeschränkt. Die Erfahrung zeigt also, wer heute gegen NGOs hetzt, stellt sich morgen gegen Gewerkschaften.
Was können wir tun?
Die Schwächung von NGOs bedroht alle, die sich organisiert für ihre Interessen einsetzen, und damit auch Gewerkschaften. Für die europäischen Gewerkschaften ist klar: Wir müssen solche Prozesse genau beobachten und uns den Diskussionen in den Betrieben und anderswo stellen.
Die Forderung muss lauten: Wenn Kontrolle, dann fair und für alle.