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Neue Richtlinie: Europäische Betriebsräte gestärkt

Die europäischen Gewerkschaften hatten seit 2017 auf Verbesserungen gedrängt – am 9. Oktober hat das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit die überarbeitete Richtlinie zu Europäischen Betriebsräten (EBR) angenommen. Damit wurde ein wichtiger Schritt gesetzt, um die Rechte von Arbeitnehmer:innenvertretungen in multinationalen Konzernen zu stärken. Die Reform behebt zentrale Schwachstellen der bisherigen Richtlinie und gibt Beschäftigten bessere Instrumente, um auf Umstrukturierungen, Digitalisierung und die grüne Transformation zu reagieren.

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Gewerkschaftsforderungen größtenteils erfüllt

Die Reform erfüllt im Wesentlichen die zehn Kernforderungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Dazu gehören stärkere Sanktionen bei Verstößen gegen EBR-Rechte, ein verbesserter Zugang zu Gerichtsverfahren bei Kostentragung für die Rechtsvertretung durch das Unternehmen und die ausdrückliche Anerkennung der Rolle von Gewerkschaften.

Künftig muss der nationale Gesetzgeber sicherstellen, dass Strafen bei Rechtsverletzungen wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sind. Finanzielle Sanktionen berücksichtigen dabei die Art und Schwere des Verstoßes und den Jahresumsatz des Unternehmens.

Klarere Regeln, weniger Schlupflöcher

Ein zentraler Erfolg der Reform ist die Schließung von Ausnahmen und Schlupflöchern. Bisher galten für sogenannte „Pre-Directive“-Vereinbarungen und Interimsvereinbarungen (2009–2011) Sonderregelungen. Diese Ausnahmen wurden nun beseitigt. Alle bestehenden EBR-Vereinbarungen können angepasst werden, um den neuen Anforderungen zu entsprechen – entweder durch bestehende Anpassungsklauseln oder durch ein erneutes Verhandlungsverfahren. Außerdem wurde die Verhandlungsdauer von drei auf zwei Jahre verkürzt.

Klarheit bei „Transnationalität“ und mehr konsultationspflichtige Themen

Die überarbeitete Richtlinie erweitert die Themen, zu denen Europäische Betriebsräte konsultiert werden müssen. Dazu zählen nun ausdrücklich Qualifizierungs- und Schulungsmaßnahmen, die Antizipation von Veränderungen sowie das Management von Umstrukturierungsprozessen (unvollständige Aufzählung). Diese Liste ist nicht vollständig und kann in Vereinbarungen weiter ausgebaut werden.

Darüber hinaus wurde präzisiert, wann ein Thema als „grenzüberschreitend“ oder „transnational“ gilt: Zu berücksichtigen sind die zuständige Managementebene und die möglichen Auswirkungen auf Beschäftigte in einem oder mehreren Mitgliedstaaten.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft den Umgang mit vertraulichen Informationen. Das Management muss künftig konkret begründen, warum und wie lange Informationen vertraulich behandelt werden müssen.

Zusammenarbeit mit der nationalen Arbeitnehmer:innenvertretung

Ein wichtiger Fortschritt ist auch die ausdrückliche Verankerung des Rechts von EBR-Mitgliedern, lokale Arbeitnehmer:innenvertretungen vor und nach jedem Treffen zu informieren. Diese Regelung stellt sicher, dass transnationale Information und Konsultation wirksam mit der betrieblichen Ebene verknüpft wird – eine zentrale Voraussetzung dafür, dass die Rechte der Europäischen Betriebsräte auch in der Praxis ankommen.

Zeichen für Gleichstellung und Abbau von Barrieren

Die Reform fördert außerdem Gleichstellung in Europäischen Betriebsräten. Angestrebt werden mindestens 40 Prozent Frauen und 40 Prozent Männer unter den Mitgliedern jedes EBR. Bei Nichterreichung muss dies den Beschäftigten begründet werden. Auch für Menschen mit Behinderungen wird die uneingeschränkte Teilnahme sichergestellt – zusätzliche Kosten muss das Unternehmen tragen.

Drei Jahre Zeit – Inkrafttreten voraussichtlich 2028

Die Zustimmung des Europäischen Parlaments war ein Meilenstein. Nur mit aktiver Interessenvertretung von Gewerkschaften und EBR-Mitgliedern ist es gelungen, eine solide Mehrheit zu bekommen. Von den österreichischen EU-Abgeordneten hat nur die FPÖ gegen die Verbesserung der Richtlinie gestimmt.

Nun muss auch der Rat der Europäischen Union, bestehend aus den Fachminister:innen, die Richtlinie formal annehmen. Im Idealfall soll sie im Dezember 2025 im Amtsblatt der Europäischen Union erscheinen. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Ein Jahr später, also voraussichtlich 2028 treten die neuen Regeln vollständig in Kraft.

Keine voreiligen Neuverhandlungen, Vorbereitungsphase als Gremium nutzen

Wir raten davon ab, bestehende EBR-Vereinbarungen voreilig zu öffnen. Jetzt ist vielmehr die Zeit, sich individuell und als Gremium mit den neuen Regelungen vertraut zu machen und Änderungsbedarf an der eigenen EBR-Vereinbarung zu identifizieren. Mit besonderer Vorsicht zu genießen sind Angebote für „Urgent Trainings“ von Consultingunternehmen. Diese können zum jetzigen Zeitpunkt und auch in den kommenden Monaten nur unausgereift sein und schlimmstenfalls Fehlinformationen vermitteln.

Gewerkschaftsressourcen nutzen

Deine Gewerkschaft GPA steht in ständigem Austausch mit anderen europäischen Gewerkschaften und unterstützt EBRs in diesem Prozess mit Informationsmaterial, Bildungsveranstaltungen, etwa dem EBR-Seminar am 23. März 2026, und Beratungen.