Rede zur Lage der Union, eine gewerkschaftliche Perspektive
Mit ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch 2025 wieder einen Überblick über die derzeitigen Herausforderungen in der EU gegeben und auch die Schwerpunkte für das kommende Jahr definiert. Die Rede ist ein zentraler Punkt im EU-Kalender. Für mich ist immer besonders relevant, wie sozial gerecht die Europäische Union in Zukunft sein wird. Als Gewerkschafterin weiß ich, Europa kann nur bestehen, wenn wirtschaftlicher Fortschritt mit sozialen Rechten Hand in Hand geht.

Von der Leyen hat die Wirtschaftskraft der Europäischen Union in den Fokus gerückt und damit signalisiert, dass die Stärkung des Binnenmarktes, der industriellen Basis, sowie der digitalen Infrastruktur, etwa im Umgang mit künstlicher Intelligenz, integrale Bestandteile einer Wettbewerbsfähigkeitspolitik sein sollen. Mit der Single Market Roadmap 2028 oder dem geplanten EU Cloud and AI Development Act werden zwar wichtige Weichen gestellt, doch ohne verbindliche soziale Mindeststandards drohen solche Maßnahmen vorrangig Unternehmen zu nutzen, während Arbeitnehmer:innen erneut auf der Strecke bleiben. Gleichzeitig wird unter dem Deckmantel der „Vereinfachung“ das bereits Erreichte aus ihrer vorherigen Präsidentschaft wieder eingestampft. Bürokratie lässt sich ohne Sozialabbau vereinfachen z.B. durch einheitliche Formvorgaben in allen Mitgliedsstaaten, aber nur, wenn es tatsächlich nur darum geht. Aktuelle Vorschläge gehen aber zu Lasten der Beschäftigten, der Umwelt und auch unseres Wirtschaftsstandortes. Die EU zeichnet sich weltweit durch Qualität aus, doch mit Zurückschrauben der Standards verlieren wir dieses Merkmal.
Angesichts der derzeitigen ökologischen und digitalen Umbrüche brauchen Beschäftigte Unterstützung, um den Wandel selbst aktiv mitgestalten zu können. Solange es aber keine europaweit verbindlichen Vorgaben für faire Praktika, transparente Löhne und sichere Arbeitsplätze gibt, bleibt jede Rede von sozialer Gerechtigkeit bloße Rhetorik. Wir als Gewerkschafter:innen fordern daher weiterhin, um nur einige Beispiele zu nennen, europaweit verbindliche Mindeststandards für Arbeitsbedingungen, die auch Sanktionen gegen Lohnraub vorsehen, die Stärkung der Sozialpartnerschaft und von Kollektivverträgen und umfassende Just-Transition-Maßnahmen, um allen Arbeitnehmer:innen soziale Sicherheit und Teilhabe an der Transformation zu gewährleisten.
Insbesondere vor dem Hintergrund der großen EU-Budgetverhandlungen, in denen der Sozialfonds nicht mehr alleine steht und „Wettbewerbsfähigkeit“ eindeutig Vorrang vor allem anderen bekommt, müssen wir hier besonders aktiv sein. Nur ein Europa, das die Menschen an erste Stelle stellt, stärkt den Zusammenhalt sowie die Demokratie und sichert Arbeitsplätze. Die Europäische Union ist mehr als ein Markt, sie ist eine Gemeinschaft!