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Wenn Würde streiken geht – Sozialwirtschaft in Europa wehrt sich

Während in Österreich am 21. Oktober die erste Verhandlungsrunde zum Kollektivvertrag Sozialwirtschaft ergebnislos endete, bereiten sich in Italien über 10.000 Pflegekräfte auf einen ganztägigen Streik am 31. Oktober vor. In Frankreich streikten Beschäftigte bereits von 17. bis 23. Oktober.

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Abwertung mit System

Die Parallelen sind frappierend. In Österreich fordern die Gewerkschaften GPA und vida für 130.000 Beschäftigte im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich 4 Prozent mehr Gehalt. Die Arbeitgeber kündigten jedoch bereits an, nicht einmal die Inflation abgelten zu wollen.

In Italien kämpfen die Gewerkschaften FP CGIL, CISL FP und UIL FPL gegen den Arbeitgeberverband um gleichwertige Arbeitsbedingungen mit ihren Kolleg:innen, die bei kirchlichen und genossenschaftlichen Trägern beschäftigt sind. Während andere Sektoren Lohnerhöhungen sowie verbesserte Regelungen zu Krankenstand, Elternzeit und Schutz vor Belästigung durchsetzen, verweigert der italienische Arbeitgeber den Dialog. Die Antwort: Streik für Würde und Gleichbehandlung.

Auch in Frankreich kämpfen die Beschäftigten der Sozialwirtschaft nicht nur für ihre eigenen Arbeitsbedingungen, sondern gegen eine Sparpolitik der Arbeitgeber, die den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen erschwert und Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, im Stich lässt.

Kein Geld? Oder kein Wille?

Die Arbeitgeberargumente ähneln sich grenzüberschreitend. Budgetengpässe, Finanzierungsunsicherheit, drohende Kürzungen – das Repertoire ist bekannt. Doch die Gewerkschaften widersprechen vehement. „Die Sozialwirtschaft kennt keine Krise", stellt Eva Scherz klar. Auch in Italien boomt der Sektor: Private Pflegeheime und Rehabilitationseinrichtungen verzeichnen steigende Nachfrage, während gleichzeitig Tausende Stellen unbesetzt bleiben.

Der Fachkräftemangel ist hausgemacht. In beiden Ländern sind etwa 70 Prozent der Beschäftigten im Sektor Frauen, ebenso viele arbeiten Teilzeit – oft unfreiwillig. Die Arbeit ist körperlich und psychisch extrem belastend, die Ausbildungsanforderungen hoch, die Bezahlung miserabel. Wer unter solchen Bedingungen noch in der Branche arbeitet, tut dies trotz – nicht wegen – der Arbeitgeber.

Europäischer Widerstand wächst

Die zeitliche Nähe der Konflikte ist kein Zufall. Quer durch Europa formiert sich Widerstand gegen die systematische Unterbewertung von Care-Arbeit. Was in Frankreich und Italien bereits zum Streik führte, könnte auch in Österreich folgen.

Die Botschaft ist klar: Ob in Paris, Rom, Wien oder anderswo – Beschäftigte in der Sozialwirtschaft fordern nicht mehr, aber auch nicht weniger als faire Bezahlung für unverzichtbare Arbeit. Die Zeit, in der Care-Arbeit als selbstverständlich und billig galt, läuft ab und das ist gut so.