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Wir dürfen nicht vergessen, warum wir für das Lieferkettengesetz gekämpft haben

Das EU-Lieferkettengesetz wird derzeit heftig diskutiert und leider zunehmend attackiert. Dabei war es ein bahnbrechender Schritt. Denn es war ein klares Bekenntnis Europas zu Verantwortung, Menschenrechten und fairen Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten. Zum ersten Mal haben wir gesagt: Unternehmen dürfen nicht länger wegsehen, wenn für ihre Gewinne Menschen ausgebeutet oder Umweltstandards verletzt werden.

Luiza Puiu

Jetzt aber steht dieses EU-Gesetz unter massivem Beschuss, getarnt als „Entbürokratisierung“. Was nach Vereinfachung klingt, ist in Wahrheit der Versuch, den Kern des Gesetzes zu schwächen. Als Gewerkschafterin sehe ich darin einen gefährlichen Rückschritt. Denn wer Entbürokratisierung sagt, meint oft Deregulierung und wer Deregulierung meint, riskiert soziale Verantwortung.

Und genau weil sich der öffentliche Diskurs gedreht hat, müssen wir uns daran erinnern, warum wir das Lieferkettengesetz überhaupt verhandelt haben. Der Auslöser war eine der schlimmsten Tragödien in der Geschichte der Textilindustrie: der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013. Über 1.100 Arbeiter:innen verloren ihr Leben, mehr als 2.000 wurden schwer verletzt. Sie produzierten Kleidung für westliche Marken unter Bedingungen, die von Ausbeutung und Lebensgefahr geprägt waren. Diese Katastrophe hat uns wachgerüttelt. Sie hat uns gezeigt, was passiert, wenn Profit über Menschenleben gestellt wird. Und wir haben damals gesagt, dass so etwas nie wieder geschehen darf.

Mit dem europäischen Lieferkettengesetz wollten wir genau diese Konsequenz ziehen. Wir wollten dafür sorgen, dass Unternehmen Verantwortung übernehmen für Menschenrechte, faire Löhne und den Schutz unserer Umwelt. Dass Gewinne nicht länger auf Kosten derer entstehen, die am wenigsten haben und am härtesten arbeiten. Es war ein Gesetz der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Verantwortung.

Doch in den letzten Monaten hat sich der politische Wind gedreht. Plötzlich geht es in der Debatte nicht mehr um die Näherinnen in Bangladesch, nicht um die Anwohner:innen am Amazonas, deren Lebensgrundlagen zerstört werden, sondern um angebliche Überforderung einzelner Unternehmen in der EU. Der Diskurs hat sich verschoben weg von den Betroffenen hin zu den Profiteuren. Wir dürfen das nicht hinnehmen.

Darum war es so wichtig, dass das Europäische Parlament diese Woche das schwache Trilogmandat des Rechtsausschusses gestoppt hat. Ich bin stolz, dass wir Sozialdemokrat:innen gemeinsam mit der gesamten SPÖ-Delegation geschlossen dagegen gestimmt haben. Wir haben verhindert, dass das Lieferkettengesetz zu einer leeren Hülle verkommt. Ich bin als Gewerkschafterin immer bereit, Verantwortung zu übernehmen und Kompromisse zu suchen. Aber was hier vorgeschlagen wurde, war kein Kompromiss. Es war ein Erpressungsversuch der europäischen Konservativen und Rechten, der auf Kosten von Menschen und Umwelt gegangen wäre.

Jetzt haben wir noch eine letzte Chance, es mit echtem Inhalt zu füllen. Mit verbindlichen Standards, mit zivilgesellschaftlicher Haftung von Unternehmen für ihre verursachten Schäden und einer starken Stimme für Mensch und Umwelt.

Das Lieferkettengesetz wurde nicht geschaffen, um Betriebe mit Bürokratie zu überhäufen, sondern, um Verantwortung einzufordern. Wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Damit Menschen entlang globaler Lieferketten unter fairen Bedingungen leben und arbeiten können, damit unsere Umwelt geschützt und nicht ausgebeutet wird, und damit Europa für Verantwortung statt für Ausbeutung steht.

Und genau dafür stehe ich als Gewerkschafterin. Wir Gewerkschafter:innen wissen: Gute Arbeit endet nicht an den Grenzen Europas. Solidarität ist unteilbar. Wenn Arbeiter:innen am anderen Ende der Welt unter gefährlichen Bedingungen schuften müssen, um unsere Konsumgüter zu produzieren, dann geht uns das alle an. Wir kämpfen für eine Globalisierung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Darum werden wir auch weiter Druck machen. Wir werden nicht zulassen, dass dieses Gesetz ausgehöhlt oder verwässert wird. Das Lieferkettengesetz ist kein bürokratisches Hindernis, sondern ein Versprechen für Gerechtigkeit, für Verantwortung, für die Würde der Arbeit weltweit.