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Offensive für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit

Betriebsrät:innen und Expert:innen diskutieren die Zukunft der Arbeit und des Wirtschaftsstandorts

Gewerkschaft GPA / Edgar Ketzer

Rund 450 Betriebsrätinnen und Betriebsräte diskutierten bei der großen Konferenz deiner Gewerkschaft GPA und der Gewerkschaft PRO-GE über die Zukunft der Arbeit, die Rolle der öffentlichen Investitionen und eine Industriepolitik, die alle mitnimmt. Unter dem Titel „Work in progress – Investitionen. Digitalisierung. Standort.“ war der Tenor klar: Österreich braucht eine offensive Industriestrategie – und den politischen Mut, jetzt in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung zu investieren.

Wirtschaftsstandort stärken heißt: Jetzt investieren

Helmut Berrer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Economica machte gleich zu Beginn deutlich: Der Kapitalstock Österreichs ist solide, aber veraltet – und das Investitionsklima hat sich zuletzt verschlechtert. In einer Zeit multipler Herausforderungen – von Energie über Demografie bis Digitalisierung – sei klar: „Nur Investitionen bringen den Standort langfristig voran. Jede Anlage in Infrastruktur und Maschinen stärkt sofort die inländische Beschäftigung und mittelfristig den Wohlstand.“

Christoph Badelt, Präsident des Produktivitätsrats, zeichnete ein klares Bild der strukturellen Herausforderungen: Zwar liegt Österreich bei der Wirtschaftsleistung weiterhin im Spitzenfeld – doch das Wachstum basiert fast ausschließlich auf dem Ausbau der Erwerbsbevölkerung, nicht auf technologischen Effizienzgewinnen. Die Arbeitsproduktivität stagniert – ein Warnsignal, so Badelt, insbesondere angesichts des demografischen Wandels.

Die strukturelle Alterung der Gesellschaft führe dazu, dass die Erwerbsbevölkerung schrumpft, während Grund- und Gesamtbevölkerung weiterwachsen. Das hemmt das BIP-Wachstum pro Kopf und verschärft den Druck auf soziale Sicherungssysteme. Besonders herausfordernd sei, dass Österreich gleichzeitig energieintensive Produktionsstrukturen und eine überdurchschnittlich hohe Energieabhängigkeit aufweise. „Ohne Investitionen in moderne Infrastruktur, Digitalisierung und erneuerbare Energie droht ein Rückfall im internationalen Standortwettbewerb.“

„Ohne Investitionen in moderne Infrastruktur, Digitalisierung und erneuerbare Energie droht ein Rückfall im internationalen Standortwettbewerb.“

Christoph Badelt, Präsident des Produktivitätsrats

Um gegenzusteuern, brauche es gezielte Bildungsinitiativen sowie Maßnahmen zur besseren Einbindung von Frauen, älteren Menschen und jenen mit geringer Qualifikation in den Arbeitsmarkt. „Produktivität und Resilienz entstehen dort, wo Menschen mitgenommen werden – nicht, wo sie ausgespart bleiben.“

Auch ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Helene Schuberth machte deutlich, dass eine wachstumsorientierte Standortpolitik auf Investitionen und Qualifikation beruhen muss – nicht auf Lohnzurückhaltung. „Gute Löhne, leistbare Energie, Innovation und eine starke öffentliche Infrastruktur sind keine Kostenfaktoren, sie sind die Grundlage eines funktionierenden Wirtschaftsstandorts!“

„Gute Löhne, leistbare Energie, Innovation und eine starke öffentliche Infrastruktur sind keine Kostenfaktoren, sie sind die Grundlage eines funktionierenden Wirtschaftsstandorts!“

Helene Schuberth, ÖGB-Bundesgeschäftsführerin

Die Realität im Betrieb: Digitalisierung braucht Mitbestimmung

Ein Blick in die Praxis zeigte in der Podiumsdiskussion mit Betriebsrät:innen von Infineon, Ecolab, UniCredit und den Österreichischen Bundesforsten: Digitalisierung ist längst angekommen – aber nicht immer unter guten Bedingungen. Betriebsräte warnen vor überbordendem Tracking, fehlender Transparenz bei KI-Systemen und mangelnder Weiterbildung. Um den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten, braucht es verbindliche Betriebsvereinbarungen, internationale Vernetzung und laufende Schulung – vor allem für die betriebliche Mitbestimmung.

Roland Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0, brachte es auf den Punkt: „Industrie 5.0 heißt: Der Mensch rückt in den Mittelpunkt. Technologie darf kein Selbstzweck sein – sie muss den Beschäftigten dienen.“ Die nächste Stufe der Transformation sei nur dann erfolgreich, wenn sie auch soziale und organisationale Veränderungen miteinschließe.

Bildung als Schlüssel zur Transformation

AMS-Vorständin Petra Draxl stellte die zentrale Bedeutung von Bildung für die Zukunft des Arbeitsmarkts in den Mittelpunkt. Das mit Abstand höchste Arbeitslosigkeitsrisiko ergibt sich für Personen, die über maximal einen Pflichtschulabschluss verfügen. Im Jahresdurchschnitt 2024 lag die gesamte Arbeitslosenquote in Österreich bei 7,0 %, bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss bei 21,3 %, also drei Mal höher. „Bildung bietet den wirksamsten Schutz vor Arbeitslosigkeit. Wer eine höhere Qualifikation besitzt, hat deutlich bessere Chancen, eine Anstellung zu finden und dauerhaft beschäftigt zu bleiben. Besonders im Zuge der Digitalisierung, Ökologisierung und Globalisierung des Arbeitsmarktes nimmt die Zahl der Arbeitsplätze für Menschen mit lediglich einem Pflichtschulabschluss stetig ab – ein Trend, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken dürfte“, so Draxl.

„Bildung bietet den wirksamsten Schutz vor Arbeitslosigkeit. Wer eine höhere Qualifikation besitzt, hat deutlich bessere Chancen, eine Anstellung zu finden und dauerhaft beschäftigt zu bleiben.“

Petra Draxl, AMS-Vorständin

Gewerkschaften fordern: Offensive statt Rückschritt

Barbara Teiber, Vorsitzende deiner Gewerkschaft GPA, bringt die Forderungen auf den Punkt: „Die Antwort auf wirtschaftliche Herausforderungen darf nicht Pessimismus und Rückschritt sein. Verschlechterungen für Arbeitnehmer:innen verbessern keine Wettbewerbsfähigkeit – im Gegenteil. Es braucht eine klare Strategie, die Beschäftigte in den Mittelpunkt stellt.“ Reinhold Binder, Vorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE ergänzte: „Für einen starken Standort brauchen wir soziale Sicherheit und Mitbestimmung – nicht nur Wettbewerbskennzahlen!“

Erfolgreiche Wiederwahl

Abgerundet wurde die Konferenz durch die erfolgreiche Wiederwahl der Konzernekoordinator:innen deiner Gewerkschaft GPA. Philipp Kuhmann, Europäischer Betriebsrät der Ecolab GmbH, Cornelia Kilian, Zentralbetriebsrätin der UniCredit Bank Austria und Gerald Silbernagel, Europäischer Betriebsrat der Mondi Neusiedler GmbH wurden mit über neunzig Prozent der Stimmen bestätigt. „Diese Wahl ist für uns nicht nur ein Vertrauensbeweis, sondern ein Auftrag: Wir werden weiterhin mit voller Kraft für Mitbestimmung, faire Arbeitsbedingungen und eine starke gewerkschaftliche Stimme in unseren Unternehmen kämpfen“, betonten die drei Koordinator:innen einstimmig.