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Wir brauchen eine Gesamtstrategie für den Wirtschaftsstandort

Gewerkschaft GPA und PRO-GE präsentieren Studie und fordern Einbeziehung der Sozialpartner

Foto: Edgar Ketzer / GPA

Österreich hat keine wirtschaftspolitische Gesamtstrategie. Vor allem fehlt eine vorausschauende Industrie- und Standortpolitik, die darauf ausgerichtet ist, Wertschöpfung in Österreich zu generieren, Zukunftssektoren aufzubauen und die Transformation der bestehenden Industrien zu begleiten. Das kritisieren die Gewerkschaften PRO-GE und GPA und fordern daher von einer nächsten Bundesregierung, dass mit mehr Ernsthaftigkeit und unter Einbeziehung der Sozialpartner daran gearbeitet wird.

Moderne, leistungsfähige Infrastruktur ist Voraussetzung

„Wir vermissen die Seriosität in der Diskussion. Der aktuelle Unterbietungswettkampf zwischen einzelnen Parteien, etwa bei den Senkungen der Körperschaftssteuer oder bei den Arbeitgeberbeiträgen zu den Lohnnebenkosten, hat mit einer ernsthaften Strategie, die unseren Wirtschaftsstandort nachhaltig sichert, nichts zu tun. Unsere Stärken wie soziale Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Innovationskraft oder das Gesundheitswesen kann man nicht erhalten, wenn man sich mit Steuersenkungsforderungen und -plänen überbietet. Zentrale Zukunftsthemen sind daher die Schaffung der notwendigen Infrastruktur und die Qualifizierung der Arbeitskräfte. Es besteht die dringende Notwendigkeit, mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen die Produktivität in unserem Land zu erhöhen. Und dafür ist eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur die Voraussetzung“, sagen Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der PRO-GE, und Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der GPA, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut Economica in Wien.

Positive Effekte für Konjunktur und Produktivität

Aus Sicht der Gewerkschaften wäre ein erster Schritt eine umfassende Investitionsstrategie für die heimische Infrastruktur, die klare Schwerpunkte setzt. Dies hätte kurzfristig positive Effekte auf die Konjunktur und langfristig würden die Unternehmen von einer besseren Ausstattung profitieren. „Aufgrund des tendenziellen Rückgangs der Wirtschaftsdynamik und der gegenwärtigen konjunkturellen Lage ist Handlungsbedarf gegeben, um den Wirtschafts-und Industriestandort Österreich anzukurbeln, und am Arbeitsmarkt positive Impulse zu setzen. Investitionen in die Infrastruktur bieten sich hier insofern an, als von ihnen kurzfristige wirtschaftliche Impulse ausgehen, und sie zudem langfristig mit einer gesteigerten Produktivität den Wirtschaftsstandort stärken“, sagt dazu Helmut Berrer vom Economica Institut.

Großen Handlungsbedarf gibt es laut den ersten Ergebnissen der Economica-Studie, die im Auftrag der beiden Gewerkschaften erstellt wird, besonders im Bereich der Energieinfrastruktur. Erhöhte und zeitnahe Investitionen in das Stromnetz sind demnach notwendig, um zukünftige Engpässe und Stromausfälle zu vermeiden. Sie ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Energiewende gelingt. „In einer Detailbetrachtung wurde speziell im Bereich der Energieinfrastruktur Aufholbedarf festgestellt, was in Anbetracht der Transformation der Energiesysteme noch stärker an Gewicht bekommt“, sagt Berrer.

Foto: Edgar Ketzer / GPA

Öffentliche Investitionen bei Schuldenregeln ausnehmen 

Die öffentlichen Infrastrukturinvestitionen machen derzeit etwa neun Prozent der gesamten Investitionen und ca. 2,2 Prozent des BIP aus. Aber trotz der in absoluten Zahlen historisch höchsten Ausgaben bewegt man sich laut Economica relativ zum BIP auf ähnlichen Niveaus wie vor 20 Jahren. Eine Politik der Budgetkonsolidierung darf daher nicht durch eine Reduktion der Investitionen von statten gehen. „Die Infrastrukturqualität ist ein maßgebliches Kriterium für Standortentscheidungen bei privaten Investitionen. Daher hat unsere Forderung nach einer goldenen Investitionsregel, die öffentliche Investitionen aus der Berechnung von Defiziten und Schulden herausnimmt, angesichts der prekären budgetären Lage leider an Aktualität gewonnen. Investitionen, die mehreren Generationen Nutzen bringen, sind anders zu behandeln als schuldenfinanzierte laufende Ausgaben“, betont Teiber.

Qualifizierungsoffensive

Ebenso zeigen die ersten Studienergebnisse, dass gerade Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften eine enorme Bedeutung für den österreichischen Standort haben. Ohne Fachkräfte in den Bereichen Elektrotechnik oder Installations- und Gebäudetechnik werde die ökologische Transformation nicht gelingen. „Hier leisten wir als Sozialpartner im Metall- und Elektroniksektor bereits einen Beitrag. In den Kollektivvertragsabschlüssen wurde eine Qualifizierungsoffensive vereinbart. In den nächsten Jahren können mehrere tausend angelernte Arbeitnehmer:innen, die bereits jetzt in den Betrieben arbeiten, eine Fachausbildung nachholen“, sagt Binder, der angesichts der stetig sinkenden Zahl an Lehrausbildungsbetrieben fordert, dass die nächste Bundesregierung die Finanzierung auf neue Beine stellt. „Wir müssen für Unternehmen mehr Anreize setzen, Lehrlinge auszubilden.Darum sollen jene Betriebe, die keine Lehrlinge ausbilden, obwohl sie es könnten, in einen Ausbildungsfonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann die Betriebe gefördert, die Lehrlinge ausbilden“, sagt Binder.

Regionale Wertschöpfung

Die fehlende Gesamtstrategie führt aus Sicht der Gewerkschaften zudem zu unabgestimmten politischen Maßnahmen. Das bremse die wirtschaftliche Dynamik zusätzlich. Dies sei etwa bei den Förderungen zum Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion zu beobachten oder bei den Vorgaben für die öffentliche Beschaffung. Binder sieht hier Verbesserungspotential: „Regionale Wertschöpfung, soziale und ökologische Kriterien müssen in diesen Bereichen künftig mehr berücksichtigt werden. Ansonsten fördern wir weiterhin mit Steuergeld die Produktion in Drittstaaten, mit oftmals schlechteren Arbeitsbedingungen und geringeren ökologischen Standards.“

Die Pressekonferenz zum Nachsehen:

Kurzfassung der Studie zum Downloaden: