Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2026: Verbesserung, weiterer Druck notwendig
Die EU-Kommission hat ihr Arbeitsprogramm für 2026 vorgelegt – und erstmals in der Kommission von der Leyen II scheint sie sich für „Quality Jobs“ – oder zu Deutsch „qualitativ hochwertige Arbeitsplätze“ – einsetzen zu wollen. Mit 38 neuen politischen Zielen und auch legislativen Initiativen im Bereich Beschäftigung und Soziales verspricht die Kommission ein ambitioniertes Jahr. Das ist ein überfälliges Signal. Denn die Realität sieht für viele Beschäftigte in Europa unsicher aus: prekäre Verträge, Inflation bei gleichzeitigem Druck auf Löhne, Stress am Arbeitsplatz und die berechtigte Sorge über eine digitale Transformation, die die Interessen von Arbeitnehmer:innen ignoriert.
Der Quality Jobs Act: Chance für echte Verbesserungen
Aufmerksamkeit verdient jedenfalls der für das vierte Quartal 2026 angekündigte Quality Jobs Act. Er soll endlich dringende Probleme angehen: prekäre Beschäftigung eindämmen, Kollektivverhandlungen stärken und sicherstellen, dass die digitale und grüne Transformation den Beschäftigten nützt. Der EGB hat dazu vier zentrale Forderungen:
- Fairen digitalen und ökologischen Wandel von Unternehmen sicherstellen!
- Der Anwendung von KI einen gerechten Rahmen geben und das „human-in-control“-Prinzip gewährleisten!
- Psychosoziale Risiken von Arbeit und die immer weitere Arbeitsverdichtung eindämmen!
- Systematische Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen in Subauftragsketten und in der Arbeitskräfteüberlassung stoppen!
Wo bleibt das Recht auf Abschalten?
Das Recht auf Abschalten und Unerreichbarkeit ist untrennbar mit einer fairen Digitalisierung verbunden. Eine derartige Richtlinie wird vom EU-Parlament bereits seit 2021 gefordert, fehlt aber im Arbeitsprogramm für 2026 erneut. Die Arbeitgeberverbände, allen voran BusinessEurope, dessen Generaldirektor der Österreicher Markus Beyrer ist, und der KMU-Verband SME United, haben 2023 Sozialpartnerverhandlungen nach einem Jahr Arbeit an einer gemeinsamen Vereinbarung dazu platzen lassen. Markus Beyrer war außerdem Wirtschaftsberater der schwarz-blauen Bundesregierung Schüssel 1.
Öffentliche Auftragsvergabe: Kein Steuergeld mehr für Ausbeuter!
Aus gewerkschaftlicher Sicht ist die geplante Reform der öffentlichen Auftragsvergabe durch den Public Procurement Act besonders relevant. Aktuell werden öffentliche Aufträge im Wert von über 2 Billionen Euro – rund 14 Prozent des EU-BIP – meist nur nach dem Billigstbieterprinzip vergeben. Bei der Hälfte aller öffentlichen Ausschreibungen in der EU ist der Preis sogar das einzige Kriterium. Die Folge ist ein ungebremster Unterbietungswettbewerb auf Kosten der Beschäftigten.
Sobald der Entwurf der Kommission vorliegt, werden die europäischen Gewerkschaften gemeinsam mit Verbündeten im europäischen Parlament daran arbeiten, dass öffentliche Aufträge künftig nur noch unter Berücksichtigung sozialer Kriterien vergeben werden können.
Fair Mobility und das Recht auf leistbaren Wohnraum
Die EU-Kommission hat endlich anerkannt, dass die Wohnraumkrise europäische Lösungen braucht. Mit einer Initiative zu Kurzzeitvermietungen und dem Construction Services Act will man nun gegensteuern. Wie viel Handlungsspielraum die Kommission tatsächlich hat, ist unklar.
Positiv ist auch das Fair Labour Mobility Package, das einen europäischen Sozialversicherungsausweis, die Stärkung der Europäischen Arbeitsbehörde ELA und eine Initiative zur Übertragbarkeit von Qualifikationen umfasst. Diese Maßnahmen können faire Mobilität fördern – vorausgesetzt, sie werden so gestaltet, dass sie Arbeitnehmer:innenrechte stärken und Lohndumping unterbinden. Apropos…
Das „28. Regime“ oder „Endlich mehr Lohndumping“
Nicht zu Unrecht stellt die Europäische Kommission fest, dass „innovative Unternehmen“ in Europa teils unnötige Hürden überwinden müssen. Die Wurzel dieses Problems verortet sie nicht etwa in fehlender Unterstützung, den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, sondern in den 27 nationalen Rahmen des Gesellschafts-, Insolvenz-, Steuer- und des Arbeitsrechts. Warum das höchst gefährlich ist, erklären wir in diesem Artikel.
In Arbeitspläne gegossene Politik
Es zeigt sich, dass das Arbeitsprogramm für 2026 anders als die Vorjahresausgabe durchaus auch Vorhaben im Interesse der Beschäftigten plant. Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden, dass der wirkliche Schwerpunkt auf Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie auf Sicherheit und Verteidigung liegt. Außerdem sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache, die die echten Prioritäten der Kommission benennt:
- 38 neue politische Ziele für 2026
- 47 legislative Initiativen sind insgesamt geplant
- 6 legislative Initiativen im Bereich Soziales und Beschäftigung
- 25 legislative Initiativen unter dem Motto „Vereinfachung“
Die sogenannte „Vereinfachungsdimension“ will vor allem Unternehmen entlasten – nicht selten schafft sie durch Deregulierung aber Unsicherheiten, die Beschäftigte am stärksten spüren.
Unsere Aufgabe: Lösungen aufzeigen und Druck machen
Das Arbeitsprogramm verdeutlicht: Ohne Druck wird diese Kommission nicht im Sinne der Beschäftigten tätig. Auf Betriebsrät:innen, Gewerkschafter:innen genauso wie ihre Verbündeten kommen damit zwei Aufgaben zu: Es liegt an uns, Lösungen abseits von Deregulierung und Sparmaßnahmen aufzuzeigen und anschließend den notwendigen Druck auszuüben, damit diese Lösungen auch umgesetzt werden.