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Wie ist der Kollektivvertrag geworden, wie wir ihn heute kennen?

Die Gewerkschaften haben lange dafür gekämpft, dass es einheitliche Regelungen für Einkommen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gibt. Hier haben wir für dich zusammengefasst, wie die heutigen Kollektivverträgen in Österreich entstanden sind.

Erste Anfänge im 19. Jahrhundert

Vereinigungen von ArbeitgeberInnen und Beschäftigten haben erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhandelt. Sie hatten aber keine eigenständige rechtliche Bedeutung.
1867 wurde das Grundrecht auf Zusammenschluss in Vereinen beschlossen.

Es war aber eingeschränkt durch Bestimmungen über "Staatsgefährdung". 1870 wurde im Koalitionsgesetz die Strafandrohung für Verabredungen und Streiks aufgehoben. Kollektivvertragliche Aktionen der Wirtschaftsparteien wurden anerkannt.

Moderne Kollektivverträge konnten sich danach entwickeln. Sie wurden zuerst auf Betriebs- oder Lokalebene abgeschlossen. In Österreich kam es erstmals zum Abschluss eines umfassenden Kollektivvertrages für die BuchdruckerInnen im Jahre 1896.

Kollektivverträge werden Anfang des 20. Jahrhunderts wichtiger

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges waren bereits etwa 500 Kollektivverträge abgeschlossen worden.

Kollektivverträge wurden 1919 erstmals zur bindenden Norm für alle Einzelverträge erklärt, die innerhalb einer bestimmten Geltungsdauer abgeschlossen wurden.

Der demokratische Staat Österreich verabschiedete schließlich am 18. Dezember 1919 ein Gesetz. Das Gesetz über Einführung von Einigungsämtern. Diese hatten drei Funktionen:

  1. Vermittlung bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis
  2. Tätigkeit als rechtssprechende Organe, die sich aus der Tätigkeit der Betriebsräte und Betriebsrätinnen ergeben können
  3. Mitwirkung, Registrierung und Kundmachung als "Tarifamt" bei Abschluss von Kollektivverträgen

Tarifordnung unter den Nationalsozialisten ab 1939

Die Nationalsozialisten beschlossen das Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit. Es trat mit 1. Jänner 1939 in Kraft. Die freie Arbeitsverfassung ersetzten sie durch die nationalistische Arbeitsverfassung der Betriebsgemeinschaft. Staatliche Einrichtungen bestimmten nun die Arbeitsbedingungen. Statt des Kollektivvertrages führten die Nationalsozialisten die Tarifordnung ein.

Das Kollektivvertragsgesetz 1947

Das Reichsrecht über Tarifordnungen wurde durch das Kollektivvertragsgesetz vom 26. Februar 1947 außer Kraft gesetzt. Einzelne Tarifordnungen blieben so lange in Kraft, bis an ihre Stelle neue Kollektivverträge traten.

Für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft entstanden gleichlautende Regelungen im Landarbeitsgesetz. Für den Bereich der Heimarbeit entstanden Regelungen zum Abschluss von Heimarbeitsgesamtverträgen durch das Heimarbeitsgesetz.

Zwischen 1947 und 1951 herrschte die Mangelwirtschaft der Nachkriegszeit. Deshalb wurde die Kollektivvertragspolitik vom Gewerkschaftsbund zentral geregelt.

Der ÖGB, die Bundeswirtschaftskammer und die Regierung verhandelten fünf Lohn- und Preisabkommen. Sie regelten die Löhne und Gehälter.

Österreich erfüllt die Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation

Durch das Kollektivvertragsgesetz erfüllte man die Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation. Das Übereinkommen fordert das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivvertragsverhandlungen. (BGBl. Nr. 20/1952).

Alle Menschen haben das Recht, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und ihnen beitreten zu können. Das steht im Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (BGBl. Nr. 210/1958). Damit ist das Kollektivvertragswesen indirekt in unserer Verfassung verankert. 

Auch die Europäische Sozialcharta (BGBl. Nr. 460/1969) erkennt ausdrücklich das Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen und das Recht auf Zusammenschluss in Organisationen für einen wirtschaftlichen und sozialen Schutz an.

Neue Regelungen: das Arbeitsverfassungsgesetz 1974

1974 wurde das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG BGBl Nr. 22/1974) verabschiedet. Dadurch wurden weitere Regelungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen zusammen mit den kollektivvertraglichen Normen zusammengefasst.

Das ArbVG gilt für alle Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen. Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse der ArbeiterInnen in der Land- und Forstwirtschaft, die HeimarbeiterInnen sowie Arbeitsverhältnisse der öffentlich Bediensteten. Es gibt ein Gesetz, das den wesentlichsten Inhalt des Arbeitsvertrages zwingend festlegt.

Der Kollektivvertrag in Österreich heute

Branchen, in denen viele Beschäftigte Mitglied in der Gewerkschaft sind, erzielen auch bessere Ergebnisse bei den Verhandlungen zum Kollektivvertrag. Wenn du die Gewerkschaft stärkst, stärkst du damit auch dich selber. 

Derzeit werden jährlich etwa 450 Kollektivverträge, ca. 30 Heimarbeitstarife, 1 Heimarbeitsgesamtvertrag, 1 behördliche Festsetzung der Lehrlingsentschädigung, 5 Satzungen und 30 Mindestlohntarife zwischen ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenvereinigungen abgeschlossen.

Die Gewerkschaft GPA verhandelt 170 Kollektivverträge. Wir vertreten  über 2 Millionen Beschäftigte in Österreich.

Wenn viele Beschäftigte Mitglied in der Gewerkschaft sind, bringt das bessere Ergebnisse bei den Verhandlungen zum Kollektivvertrag. Wenn du die Gewerkschaft stärkst, stärkst du damit auch dich selber.